Kommentar

Hartes Herz

Unsere Israel-Korrespondentin weiß um die Gnadenlosigkeit der Hamas-Mörder und wundert sich über die Unbarmherzigkeit der Regierung gegenüber den Geiseln und deren Angehörigen

von Sabine Brandes  05.09.2024 14:55 Uhr

Sabine Brandes Foto: privat

Unsere Israel-Korrespondentin weiß um die Gnadenlosigkeit der Hamas-Mörder und wundert sich über die Unbarmherzigkeit der Regierung gegenüber den Geiseln und deren Angehörigen

von Sabine Brandes  05.09.2024 14:55 Uhr

Es ist klar, wer hier der Böse ist. Ein Mörder ist ein Mörder ist ein Mörder. Und das ist die Hamas.

Doch es ist auch klar, wer derzeit verhindert, dass das Gute siegen könnte. Und das ist der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu mit den extremistischen Teilen der Koalition. Dies hat er mit seiner letzten Rede klargemacht. Dreimal betonte er, der Krieg werde nicht enden. Damit schloss er auch einen Geiseldeal aus. Aber das darf nicht die Lösung sein.

Nachdem sechs junge Menschen – völlig unschuldige Zivilisten – von den Terroristen in Gaza ohne Gnade ermordet wurden, brauchen die Israelis Hoffnung. Und die gibt es nur durch eine Vereinbarung, die die verbleibenden Entführten nach Hause bringt. Wir brauchen sie wie die Luft zum Atmen, für das moralische Überleben und um wieder ein normal funktionierendes Land zu werden.

Denn das ist es im Moment in keiner Weise: Geiselbilder, von denen immer mehr mit einem schwarzen Trauerrahmen umrandet sind, begleiten uns auf Schritt und Tritt. Grundschüler gehen in gelben T-Shirts zur Schule, um der Toten zu gedenken. Oberschüler haben nicht einmal Unterricht, weil Lehrerverband und das Bildungsministerium einer dysfunktionalen Regierung das Wohl der Schüler hintanstellen.

Die Mehrheit der Israelis ist erschöpft, müde und verzweifelt. Auch die, die nicht auf den Straßen protestieren: die Menschen aus Nord und Süd, die seit fast einem Jahr nicht nach Hause dürfen (ein Hotelzimmer bezeichne ich nicht als Zuhause), die Soldaten und Reservisten, die ständig dem Tod begegnen, die Verwundeten und die gesamte Gesellschaft, die vom 7. Oktober zutiefst traumatisiert ist und keine Chance hat, zu heilen.

Israel ist ein erfolgreiches, modernes Land, dessen positive Attitüde trotz aller Widrigkeiten vielen ein Vorbild ist. Ein Land, das das Leben, anders als seine Feinde, immer als höchsten Wert angesehen hat. Ja, in einer extrem schwierigen Nachbarschaft, doch alles in allem ein wunderbarer Ort zum Leben. Im Moment aber ist es das nicht. Es ist ein verwundetes und gefährliches Land, das von allen möglichen Fronten bedroht wird, und dessen Grundfeste erschüttert sind.  

Maimonides schreibt, »Du sollst nicht untätig zusehen, wenn Dein Nächster in Gefahr ist«. Es ist nicht so, dass IDF oder Verhandlungsteams untätig wären. Ganz und gar nicht. Doch dass die Mehrheit der Geiseln nur durch einen Deal befreit werden kann, darüber sind sich alle Experten einig – außer Netanjahu und seine Regierung. Dass sie nach Hause geholt werden müssen, meinen zwei Drittel der Bevölkerung.

Ja, Israel wird von unbarmherzigen Massenmördern erpresst und ja, Israel wird viel für einen Deal geben müssen. Die israelische Regierung fordert die Bevölkerung wieder und wieder auf, im Krieg zu opfern. Sie selbst aber scheint dazu nicht bereit. Der Preis, dass die Geiseln in Gaza sterben, ist jedoch zu hoch. Viel zu hoch, um ihn als Gesellschaft auszuhalten. Denn Maimonides schreibt auch: »Du sollst Dein Herz nicht verhärten.«

Nahost

USA: Gaza-Deal so nah »wie nie zuvor«

Washington gibt sich optimistisch: Eine Einigung auf eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas sowie die Freilassung von Geiseln stehe bevor. Der US-Außenminister sagt: Es liegt nun an der Hamas

von Julia Naue  14.01.2025

Würdigung

Argentiniens Präsident Milei erhält »jüdischen Nobelpreis«

Der ultraliberale Staatschef gilt als enger Verbündeter Israels und hat großes Interesse am Judentum. Das Preisgeld in Höhe von einer Million Dollar will er für den Kampf gegen Antisemitismus spenden

von Denis Düttmann  14.01.2025

Gerhard Conrad

»Hamas ist ein Gegner, der nur in extremer Not einlenkt«

Der ehemalige Geisel-Unterhändler und BND-Agent über einen möglichen Deal zwischen Hamas und Israel und die Folgen für den Nahen Osten

von Michael Thaidigsmann  14.01.2025

Israel

Ben Gvir: Geisel-Deal bedeutet Ende der Regierungskoalition

Der rechte Minister gibt zu, im vergangenen Jahr eine Waffenstillstandsvereinbarung mehrfach verhindert zu haben

 14.01.2025

Terror

Bericht: Hamas akzeptiert Entwurf für Geisel-Deal

Es müssten nur noch letzte Details geklärt werden, so ein israelischer Regierungsvertreter

 14.01.2025 Aktualisiert

Israel

Luftalarm wegen Rakete aus dem Jemen

Mehrere Menschen verletzten sich auf dem Weg zum Schutzraum

 14.01.2025

Washington D.C.

USA legen Nachkriegsplan für Gaza vor

Blinken will die Palästinensische Autonomiebehörde in eine Regierung einbeziehen. Israel lehnt dies ab, da auch sie den Terror unterstützt

 14.01.2025

Geisel-Deal

»Ein Schimmer der Hoffnung, aber wir bleiben vorsichtig«

In Doha sollen heute wohl letzte offene Fragen geklärt werden, während immer mehr Details über den möglichen Deal zwischen Israel und Hamas bekannt werden

 14.01.2025

7. Oktober

Einigung auf Geisel-Deal zum Greifen nahe 

Ein Drei-Stufen-Plan sieht Medien zufolge die Freilassung von Geiseln sowie palästinensischen Häftlingen vor. Das Weiße Haus gibt sich optimistisch, dass bald ein Deal stehen könnte

von Julia Naue  13.01.2025 Aktualisiert