Zum zweiten Mal jährt sich der antisemitische und rassistische Anschlag von Halle. An dieser Stelle sollte nun stehen, welche Lehren Politik und Gesellschaft gezogen haben und wie der Kampf gegen die menschenfeindlichen Ideologien fortgeschritten ist.
Stattdessen kommen Erinnerungen an den ersten Jahrestag hoch, als der damalige Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht, kurze Zeit vor dem 9. Oktober 2020 in einem Polizeirevier Polizistinnen und Polizisten erklärte, dass der Schutz jüdischer Einrichtungen Arbeitszeit kostet, die an anderer Stelle fehle. Diese Aussage sorgte für einen bundesweiten Aufschrei in der jüdischen Community, und selbst auf der offiziellen Gedenkveranstaltung wurde sie thematisiert.
jahrestag Kurz vor dem zweiten Jahrestag wurde jetzt bekannt, dass der Attentäter von Halle eine »Brieffreundschaft« zu einer Polizistin aus genau dem Revier unterhielt, in dem der damalige Innenminister seine unsäglichen Äußerungen über den Schutz jüdischen Lebens machte.
Da kennt man als Polizei nicht die Feiertage. Lässt den Attentäter einen Fluchtversuch unternehmen. Danach ungestört Brieffreundschaften unterhalten. Und ein Polizist vertuscht Hakenkreuze vor dem jüdischen Gemeindehaus.
Nein, hier gibt es keinen direkten Zusammenhang. Aber es wird deutlich, dass sich in diesem Bundesland die Fehler in Bezug auf die jüdische Community häufen. Da kennt man als Polizei nicht die Feiertage. Lässt den Attentäter einen Fluchtversuch unternehmen. Danach ungestört Brieffreundschaften unterhalten. Und ein Polizist vertuscht Hakenkreuze vor dem jüdischen Gemeindehaus.
APPELLE In Sachsen-Anhalt ist in den vergangenen zwei Jahren nicht der Eindruck entstanden, dass der Schutz jüdischen Lebens und die Aufarbeitung des Anschlags einen besonderen Stellenwert haben. Denn so viele Fehler erlaubt man sich bei keiner Sache, die einem wichtig ist.
Die Worte von Verantwortlichen aus der Landespolitik werden am zweiten Jahrestag mit Sicherheit voller mahnender Appelle und Solidaritätsbekundungen sein, aber am 10. Oktober widmet man sich dann wieder den »tatsächlich wichtigen« Dingen.
Der Autor ist SPD-Politiker in Sachsen-Anhalt und Mitglied der Jüdischen Gemeinde Halle.