Es musste erst ein Goldjunge kommen, um das Thema auf die Titelseiten zu bringen. Dabei existiert das Problem bereits seit Gründung des Staates. Nun wird es wieder zur Schlagzeile und zum Politikum. Artem Dolgopyat, der bei den Olympischen Spielen in Tokio eine Goldmedaille im Bodenturnen holte, ist der »Stolz der Nation«.
Aber er wird offiziell nicht als Jude anerkannt. Der ukrainischstämmige Israeli wird mit Lob überschüttet. Ehre für sein Land darf er bringen, ein bedeutendes Recht indes wird ihm verwehrt. Denn Dolgopyat kann in seiner Heimat Israel nicht heiraten.
OBERRABBINAT Hier gilt: Nur wer als jüdisch beim ultraorthodoxen Oberrabbinat eingetragen ist, darf unter die Chuppa. Dass dessen Einschätzung manches Mal unverständlich ist, ist nicht erst seit Dolgopyat bekannt. Wer jetzt daran erinnert, dass andere Religionen auch nicht alle Paare verheiraten und auf die zivile Eheschließung verweisen, dem sei gesagt: Die gibt es in Israel nicht. Und zwar für niemanden.
Doch hier geht es um etwas ganz anderes: nämlich, welche Grundrechte ein jeder Staatsbürger Israels hat.
Jene, die sie wollen, müssen ins Ausland reisen. Egal ob jüdisch, christlich, sonstige oder gar keine Konfession, israelischer Pass oder nicht. Sogar wenn jemand in der IDF dient, sich in einer Kampfeinheit verpflichtet, Leib und Leben riskiert, hat er nicht unbedingt das Recht, den Segen für ein Leben mit seiner oder seinem Liebsten zu erhalten.
Egal wie groß die Errungenschaften einer Person für den jüdischen Staat sind: Entspricht er nicht den Standards der ultraorthodoxen Rabbiner, so wie Artem Dolgopyat, darf er nicht heiraten. Das ist das Gesetz. Dann bleibt nur, außerhalb der Grenzen Israels Hochzeit zu halten. Wegen der immensen Kosten tun dies die meisten ohne Familie und Freunde.
Die Frage »Wer ist Jude?« ist so alt wie die Religion selbst und definitiv nicht leicht zu beantworten. Doch hier geht es um etwas ganz anderes: nämlich, welche Grundrechte ein jeder Staatsbürger Israels hat – ob jüdisch oder nicht.
Die Autorin ist Korrespondentin in Tel Aviv.