Vanessa Drach

Gibt es Jahrestagungen an Weihnachten?

Vanessa Drach Foto: pr

Vanessa Drach

Gibt es Jahrestagungen an Weihnachten?

Vor allem Pflichtveranstaltungen und deren Terminierung an jüdischen Feiertagen können Studenten beträchtliche Konflikte bereiten

von Vanessa Drach  22.09.2022 08:37 Uhr

Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie veranstaltet vom 26. bis 30. September ihren Kongress in Bielefeld. Rosch Haschana fällt in diesem Jahr auf den 26. und 27. September, beginnend am Abend des 25. September. Dies ist als Hinweis gemeint, nicht als Anklage und schon gar nicht sprechend für jüdische Studenten in Deutschland.

Tatsächlich setzt sich die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) dafür ein, dass das Judentum genauso zu Deutschland gehört wie das Christentum und dass man auch auf die jüdischen Feiertage Rücksicht nehmen muss. Dies betrifft vor allem Pflichtveranstaltungen und deren Terminierung an jüdischen Feiertagen, die Studenten beträchtliche Konflikte bereiten können.

Zukunft Dieser Kongress ist eine freiwillige Veranstaltung, und Studenten, die lieber mit ihren Familien feiern und in die Synagoge gehen, steht es frei, dies zu tun. Im Hinblick auf die Geschichte der Soziologie in Deutschland und auch der Deutschen Gesellschaft für Soziologie ist der blinde Fleck in der Terminfindung allerdings bemerkenswert und kann in Zukunft hoffentlich vermieden werde.

Man kann den Veranstaltern keine böse Absicht unterstellen – und doch ist dieser Terminkonflikt Symptom eines vorherrschenden blinden Flecks für aktives jüdisches Leben.

Muss ein Kongress dieser historisch wichtigen Gesellschaft tatsächlich an einem der höchsten jüdischen Feiertage stattfinden? Die Geschichte der Deutschen Gesellschaft für Soziologie beginnt bereits 1909 mit der Gründung durch 39 Wissenschaftler in Berlin, die Ferdinand Tönnies als ersten Präsidenten wählten. Max Weber, Georg Simmel, Hermann Cohen und Rudolf Goldscheid gehörten zu den ersten Mitgliedern. Nach 1945 entwickelte sich die Soziologie in Deutschland wieder, auch durch Max Horkheimer und Theodor W. Adorno und ihre Frankfurter Schule.

Zurück zum September 2022: Man kann den Veranstaltern keine böse Absicht unterstellen – und doch ist dieser Terminkonflikt Symptom eines vorherrschenden blinden Flecks für aktives jüdisches Leben in Deutschland heute. Jüdische Studenten und Wissenschaftler sollten nicht vor die Wahl gestellt werden, einen ihrer höchsten Feiertage zu feiern oder an einem Treffen mit der deutschen Soziologie teilzunehmen.

Die Autorin ist Soziologin und promoviert an der Hebräischen Universität Jerusalem.

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  20.04.2025

Essay

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Volker Beck

Den Kampf gegen Antisemitismus nicht vereinnahmen

US-Präsident Trump nimmt den Antisemitismus an der Harvard University zum Anlass für einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit und die Rechtsgleichheit für alle

von Volker Beck  16.04.2025

Lasse Schauder

Wer den Begriff »Islamismus« bannen will, ist politisch unmündig

Die Berliner Jusos haben beschlossen, aus Gründen der Sprachsensibilität künftig nicht mehr von »Islamismus« sprechen zu wollen. Das ist ein fatales Signal an Betroffene extremistischer Gewalt

von Lasse Schauder  16.04.2025

Eren Güvercin

Wo sind die Gelehrten, die der Fatwa gegen Israel widersprechen?

Ein ranghoher Geistlicher erklärt den Kampf gegen Israel zur Pflicht eines jeden Muslims. Kritik an diesem offenen Terroraufruf sucht man bei deutschen Islamverbänden vergeblich

von Eren Güvercin  16.04.2025

Essay

Warum ich stolz auf Israel bin

Das Land ist trotz der Massaker vom 7. Oktober 2023 nicht zusammengebrochen, sondern widerstandsfähig, hoffnungsvoll und vereint geblieben

von Alon David  15.04.2025 Aktualisiert

Joshua Schultheis

Im Krieg braucht es ein Korrektiv

Das israelische Militär will den verheerenden Angriff auf Krankenwagen in Gaza untersuchen. Es geht um viel: die Glaubwürdigkeit der Armee, Gerechtigkeit für die Toten und darum, sinnloses Leid künftig besser zu verhindern

von Joshua Schultheis  15.04.2025

Ernst-Wilhelm Gohl ist Landesbischof der evanglischen Landeskirche Württemberg

Antisemitische Anfeindungen

»Langenau ist kein Einzelfall«

Der Landesbischof von Württemberg fordert den Schutz von Pfarrern, die von »propalästinensischen« Aktivisten bedrängt werden

von Ernst-Wilhelm Gohl  14.04.2025