»Wir haben Angst« titelt das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« und zeigt die besorgten Gesichter von vier Menschen, die im aktuellen Heft über den Judenhass sprechen dürfen, der sich seit dem Hamas-Pogrom am 7. Oktober in Deutschland Bahn bricht.
Aha. Interessant. Suggeriert ein »Wir« doch ein Zusammenstehen, Augenhöhe, gleiche Werte, ein gleiches Ziel. Dass es in dieser beängstigenden Zeit, da die Angegriffenen in der öffentlichen Meinung zunehmend zu Angreifern gemacht werden, nicht nur um jüdische, sondern auch um deutsche Angst gehen könnte. Nämlich das zu verlieren, was in diesem Land nach der Schoa so schmerz- und mühevoll wieder aufgebaut wurde.
Warum holt Deutschlands großes Nachrichtenmagazin nicht seine nichtjüdischen Leser ab, anstatt sich jüdische Angst beschreiben zu lassen?
Blättert man dann allerdings zum dazugehörigen Text auf Seite 14, dann steht da dick und groß »Sie leben wieder in Angst«. Ach so. Doch wieder der Blick von oben. Doch wieder das Opfer-Klischee, garniert mit Ausführungen, wie denn beschimpft, bespuckt und bedroht wird. Funktioniert eigentlich immer. Verkauft sich doch so gut.
In anderen Zeiten wäre das Grund für Ironie, Zynismus gar, meinetwegen auch Fatalismus, kennt man ja schon, diesen neurotischen Blick.
In Zeiten wie diesen ist der Schritt zur Seite, dieses verbale »Mit denen haben wir eigentlich nichts zu tun« schlicht und einfach lebensgefährlich. Und schlechter Journalismus sowieso.
Warum holt Deutschlands großes Nachrichtenmagazin nicht seine nichtjüdischen Leser ab, anstatt sich jüdische Angst beschreiben zu lassen? Warum sind auf dem Titel nicht auch Deutsche zu sehen, die angesichts von migrantischem, rechtem und linkem Antisemitismus sagen »Nicht mit uns! Wir sind stolz auf das, was wir geschafft haben. Wir lassen uns das nicht kaputtmachen!«?
Ach ja, stimmt. Vielleicht liegt es an der Angst.