Kerstin Griese hat recht: Das Thema, zu dem die Staatssekretärin im Sozialministerium sprach, ist komplex. Es geht um die Altersgelder und die Lebensleistung der jüdischen Zuwanderer aus der früheren Sowjetunion.
Was für Griese und die Fraktionen von CDU/CSU und SPD aus dieser Komplexität folgt, ist allerdings nicht zwingend, nicht richtig und schon gar nicht gerecht. Diese Menschen kamen nach 1990 in dieses Land, auch und nicht zuletzt, weil es offenen Antisemitismus in den Gesellschaften gab, in denen sie lebten. Und nach Deutschland kamen sie aus ähnlichen Gründen wie die von der Regierung stets umworbenen Spätaussiedler.
GEMEINSAMKEITEN Es gibt, das ist zur Genüge nachgewiesen, historische Gemeinsamkeiten zwischen diesen Gruppen, die teils Jiddisch sprechen, teils ein gebrochenes Deutsch. Es gibt auch biografische Parallelen: Sie haben in der gleichen Schule gelernt, im gleichen Betrieb gearbeitet.
Zuwanderer kamen aus ähnlichen
Gründen nach Deutschland wie die nichtjüdischen Spätaussiedler.
Der Unterschied begann erst mit der Übersiedlung, die doch in beiden Fällen von der deutschen Politik erwünscht war. Für die nichtjüdischen Spätaussiedler gilt das Fremdrentengesetz, das dafür sorgt, dass ihre Arbeit in der Sowjetunion bei der deutschen Rente verrechnet wird. Für die jüdischen Zuwanderer gibt es nur die Rente, die sie sich seit den 90er-Jahren erarbeiten konnten – wenn man sie denn ließ.
Oft wird gesagt, dass schon die Rentenzahlungen an Spätaussiedler problematisch seien. Schließlich gelte für diese Gruppe die ohnehin kritikwürdige Deutschtumsbestimmung via Blut und Abkunft – auch wenn ein SS-Opa als Beweis herangezogen wird. Mag sein, dass die Kritik zutrifft. Aber überhaupt nicht einzusehen ist, warum jüdische Zuwanderer die Leidtragenden dieses Staatsbürgerschaftsrechts sein sollten.
Ja, das Thema ist komplex. Aber die Zeit drängt trotzdem.