Wie würde ich reagieren, wenn auf dem Campus der Hochschule Darmstadt »propalästinensische« Demonstrationen stattfänden? Wenn ich auf dem Weg zum Lehrsaal an einem Protestcamp vorbeigehen müsste, auf dem »From the River to the Sea, Palestine will be free« und »Stoppt den Genozid in Gaza!« gerufen wird? Wenn also Studierende an »meiner« Hochschule, an der ich seit 20 Jahren lehre, offensichtlich islamistischer und antisemitischer Propaganda aufsitzen?
Glücklicherweise muss ich mich nicht mit protestierenden Studierenden auseinandersetzen. Ignorieren könnte ich sie nämlich nicht. Ich weiß, dass ich mit meinen Positionen nicht durchdränge.
Denn weder historische Fakten noch sachlich vorgetragene Argumente nützen gegen gefühlte Wahrheiten. Auffallend und erschreckend ist bei den Protesten an deutschen Universitäten, wie wenig Studierende Kenntnisse über den Nahostkonflikt haben, wie sehr sie dem Gut-Böse- und Täter-Opfer-Schema folgen. Auffallend ist auch, dass der Auslöser des Kriegs in Gaza – die bestialischen Taten der islamistischen Hamas am 7. Oktober – ignoriert wird.
Junge Menschen, die wenig wissen, dafür aber viele Emotionen haben, wähnen sich auf der moralisch richtigen Seite.
Junge Menschen, die wenig wissen, dafür aber viele Emotionen haben, wähnen sich auf der moralisch richtigen Seite. Wer ihnen erklärt, dass das Ziel der israelischen Kampfhandlungen kein Genozid ist, dringt nicht durch – auch nicht damit, dass die Hamas ihr eigenes Volk als lebenden Schutzschild missbraucht, oder dass der Krieg gar nicht diese Ausmaße hätte annehmen müssen, wenn die Forderung der israelischen Regierung, die Geiseln freizulassen, erfüllt worden wäre.
All diese Argumente prallen an denen ab, die sich vor den Karren der Islamisten und Antisemiten haben spannen lassen. Das Kalkül der Terrortruppe Hamas ist aufgegangen. Ihr Narrativ vom jüdischen Staat, der die Palästinenser vernichten will, wird unhinterfragt übernommen.
Am Montag beantragte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant und drei Hamas-Anführer. Ich bin gespannt, wie sich die Entscheidung auf die Proteste auswirken wird.
Die Autorin ist freie Journalistin und seit vielen Jahren Lehrbeauftragte an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit.