Die Szenen, die sich am Samstag auf den Straßen in Lausanne abgespielt haben, sind skandalös. Zum Weltfrauentag tat sich eine Allianz von Kurdinnen, Jesidinnen und Jüdinnen zusammen, um gemeinsam unter dem Motto »Stoppt den islamistischen Terror gegen Frauen« zu demonstrieren.
Das Kollektiv reagierte damit auf einen Vorfall vom Vorjahr, bei dem sich eine Gruppe von Frauen, die sich für die israelischen Vergewaltigungsopfer und Geiseln vom 7. Oktober 2023 eingesetzt hatten, von den Organisatoren der letztjährigen Kundgebung nicht willkommen geheißen wurde.
Am vergangenen Samstag wurde die Gruppe jedoch von einer so genannten propalästinensischen Front komplett gestoppt. Diese baute sich vor dem Kollektiv wie eine Wand auf, kesselte es nahezu ein und hinderte die Frauen daran, am Marsch in Lausanne weiter teilzunehmen. Dabei skandierten die »propalästinensischen« Demonstrierenden lautstark ihre gewohnten antizionistischen Parolen.
Antisemitismus ist kein Platzhalter, um die Welt zu erklären.
Einmal mehr wurde die emanzipatorische Bewegung dazu missbraucht, um sich auf die Seite des vermeintlich Schwächeren zu stellen. Die Jüdinnen, die sich genauso wie der Rest der demonstrierenden Masse für die Rechte der Frauen einsetzten, an den Pranger zu stellen, zu diskreditieren und vom Geschehen ausschließen zu wollen, widersetzt sich jedem Ansatz emanzipatorischer Überzeugung.
Wer blind »queerfeministisch, antizionistisch« schreit und meint, mit dem passenden Hashtag auf Instagram auf der richtigen Seite zu stehen, hat Feminismus falsch verstanden.
Unter dem Deckmantel etablierter Ideologien, für die es sich zu demonstrieren lohnt, entlädt sich auf solchen Kundgebungen der Hass gegen Juden. Mit dem Vorwand, Antizionismus bekämpfen zu wollen, wird die Sache einfach: Wenn die Juden nicht mehr Opfer sind, steht man auf der richtigen Seite der Geschichte.
Dieser »propalästinensische« Aktivismus verspricht dabei schnelle Erfolge. Die klare Einteilung zwischen Gut und Böse vermittelt ein Gefühl von Zugehörigkeit – ironischerweise demonstrierte die gleiche Masse am Samstag gegen Trump, Putin und Musk.
Wer sich also Feministin oder Feminist nennt, muss darum bemüht sein, dass allen Frauen mit Respekt begegnet wird, dass die Zahlen von Gewaltakten gegen Frauen oder Femiziden zurückgehen. Sich jedoch mit feministischer Maskerade zu dekorieren, einzig um gegen Jüdinnen vorzugehen, weil sie »weiße Unterdrückerinnen« oder gar »Kapitalistinnen« sind, ist nicht nur verblendet, sondern zeugt von Bequemlichkeit.
Es zeigt, wie variabel und flexibel einsetzbar Antisemitismus ist. Er ist kein Platzhalter, um die Welt zu erklären. Aber es entsteht damit eine problematische Allianz zwischen einer Ideologie wie dem Feminismus und gewaltbereiten Gruppierungen als Folge eines verzerrten Weltbilds. Das ist gefährlich.
dreyfus@juedische-allgemeine.de