Andreas Nachama

Unglaublich, aber wahr

Man kann sich nur wundern, was auf einem Friedhof alles schiefgehen kann

von Rabbiner Andreas Nachama  20.10.2021 19:39 Uhr

Rabbiner Andreas Nachama Foto: Chris Hartung

Man kann sich nur wundern, was auf einem Friedhof alles schiefgehen kann

von Rabbiner Andreas Nachama  20.10.2021 19:39 Uhr

Ein Neonazi und Holocaustleugner aus Nordrhein-Westfalen wurde vor knapp zwei Wochen auf dem evangelischen Friedhof in Stahnsdorf bei Berlin beerdigt – in der Grabstätte eines im »Dritten Reich« als Juden Verfolgten: Max Friedlaender. Unglaublich, aber wahr.

Friedlaender (1852–1934) war jüdischer Herkunft, jedoch schon in den 1890er-Jahren zum Protestantismus konvertiert. Der für deutsche Volksliedforschung von Kaiser Wilhelm zum Geheimen Rat ernannte Musikwissenschaftler war wie alle Menschen jüdischer Herkunft nach 1933 trotz seiner Konversion zum Opfer der NS-Verfolgungen geworden.

liegerecht Dass sein Grab, wie auf protestantischen Friedhöfen üblich, nach einer gewissen Frist, hier im Jahr 1980 – für weitere Beerdigungen freigegeben wurde, ist für Juden, die ein ewiges Liegerecht auf den Grabstätten voraussetzen, unverständlich. Es waren keine subalternen Kirchenbeamten, sondern die konsistoriale Leitung, die die Entscheidung über die Beisetzung des Neonazis gefällt hat. Unglaublich, aber wahr.

Der Berliner Bischof Christian Stäblein entschuldigte sich für die fehlerhaften Entscheidungen und will versuchen, rückgängig zu machen, was ungeschehen gemacht werden kann.

Zur Beerdigung des Neonazis kamen viele, die in der rechten Szene Rang und Namen haben. Der Grabstein mit dem Namen und den Lebensdaten Friedlaenders war mit einem schwarzen Tuch verhüllt. In solchen Fällen der Überlassung eines historischen Grabsteins kann der Name des nun an der Stelle Beerdigten unter dem vorhandenen Namen ergänzt werden. Unglaublich, aber wahr.

Der Berliner Bischof Christian Stäblein entschuldigte sich für die fehlerhaften Entscheidungen und will versuchen, rückgängig zu machen, was ungeschehen gemacht werden kann. Das kann man dem im christlich-jüdischen Dialog fest verankerten Geistlichen glauben. Aber es ist zu vermuten, dass sich hier Murphys Gesetz bewahrheitet hat: Alles, was schiefgehen kann, ging auch schief. Und es steht zu befürchten, dass auch alle nachträglichen Heilungsversuche diesem Gesetz unterliegen werden. Unglaublich, aber wahr.

Der Autor ist Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK).

Meinung

Maria und Jesus waren keine Palästinenser. Sie waren Juden

Gegen den Netflix-Spielfilm »Mary« läuft eine neue Boykottkampagne

von Jacques Abramowicz  20.11.2024

Meinung

Jung, jüdisch, widerständig

Seit dem 7. Oktober 2023 müssen sich junge Jüdinnen und Juden gegen eine Welle des Antisemitismus verteidigen

von Joshua Schultheis  20.11.2024

Medien

Ausweitung der Kampfzone

Die israelfeindlichen Täter haben die »NZZ« ganz bewusst zum Abschuss freigegeben. Ein Kommentar

von Nicole Dreyfus  19.11.2024

Nicole Dreyfus

Die UNRWA kann auf Zürich zählen

Die Regierung zahlt 380.000 Franken an das mit dem Hamas-Terror verbundene Palästinenserhilfswerk

von Nicole Dreyfus  15.11.2024

Michael Thaidigsmann

Borrells letztes Gefecht

Der scheidende EU-Außenbeauftragte fordert die Aussetzung des Assoziierungsabkommens der EU mit Israel. Damit dürfte er kläglich scheitern

von Michael Thaidigsmann  14.11.2024

Tobias Kühn

Wagenknechts rotbrauner Humus

Der israelbezogene und anti-imperialistische Antisemitismus ist Teil der Identität des BSW

von Tobias Kühn  14.11.2024

Sabine Brandes

Für einen Libanon ohne die Hisbollah

Es ist an der Zeit, dass die Libanesen Nein zum Einfluss einer Terrororganisation auf ihr Leben sagen

von Sabine Brandes  14.11.2024

Meinung

Patrick Bahners und die »Vorgeschichte« zu den Hetzjagden in Amsterdam

Daniel Schwammenthal über das Pogrom von Amsterdam und seine Bagatellisierung durch deutsche Journalisten

von Daniel Schwammenthal  13.11.2024

Meinung

Antisemitismus-Resolution: Und jetzt?

In zwei Gastbeiträgen plädieren die Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig (CSU) und Marlene Schönberger (Grüne) für ein entschiedenes Handeln gegen Judenhass

von Daniela Ludwig, Marlene Schönberger  13.11.2024