Bodo Ramelow (Linke) möchte die Nationalhymne ändern. Ja, die Hymne ist historisch belastet, weshalb ihre Worte vielen jüdischen Menschen, aber auch anderen Deutschen, leicht im Halse stecken bleiben könnten. Ihr Verfasser, Hoffmann von Fallersleben, schrieb zutiefst antisemitische Gedichte. Die erste Strophe des Deutschlandliedes wird wegen ihrer Nazikonnotation und ihres Nationalismus heute zu Recht nicht mehr gesungen.
OSTDEUTSCHE Aber dies ist nicht der Hauptgrund für den Änderungswunsch des Thüringer Ministerpräsidenten. Vielmehr möchten seiner Meinung nach viele Ostdeutsche das Deutschlandlied nicht singen, weil sie sich darin nicht wiedererkennen würden. Die westdeutsche Hymne wurde ja einfach übernommen.
Unsere Freiheit gewährt
es jedem, die Hymne zu singen
oder auch nicht.
Hören wir mal rein, was singt man eigentlich? »Einigkeit« – wunderbar, gerade in einer Zeit der gesellschaftlichen Polarisierung und des Erstarkens der Extreme. »Recht« – absolut, der Rechtsstaat ist die Grundlage unseres Zusammenlebens. »Freiheit« – natürlich, individuelle Freiheit erlaubt es jedem, sich nach dem eigenen Gusto zu entfalten.
WERTE Dies sind all jene Werte, die es jedem Menschen, auch den Juden in Deutschland, ermöglichen, hier und heute insgesamt vorzüglich zu leben. Und der Wunsch nach diesem vorzüglichen Leben ist auch der Hauptgrund dafür, dass die sozialistische Diktatur unterging und Deutschland einig wurde. So haben die DDR-Bürger ihr Recht auf Freiheit selbst erkämpft. Diese Freiheit gewährt es heute jedem, die Hymne zu singen oder auch nicht. Dass die darin besungenen Werte, zumindest in ihrer heutigen Interpretation, in der gesamten Bundesrepublik etwas Positives darstellen, steht aber außer Frage.
Wenn wir aber schon bei heute geltenden Werten sind: Wir sollten in Zukunft schwesterlich mit Herz und Hand nach den wichtigen Grundwerten für das deutsche Vaterland streben. Oder brüderlich für das deutsche Mutterland. So oder so könnte sich wohl mindestens eine ganze Hälfte der Bevölkerung besser darin wiedererkennen.
Der Autor ist Politikberater und Mitglied der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.