Sport ist ebenso unpolitisch wie der Eurovision Song Contest. In beiden Fällen geht es hauptsächlich um das Erbringen von Leistungen, zu denen Talent, viel Training und ein wenig Glück gehören. Vordergründig haben beide nichts mit Politik zu tun – tatsächlich bieten sich hier jedoch wichtige Möglichkeiten zur Integration und zum demokratischen Diskurs.
Momente der Begegnung, in denen über Kommunikation und die gemeinsame Verbindung «Sport” Brücken gebaut und demokratische Werte mit Leben gefüllt werden können. Demnach ist der Sport nicht per se politisch, doch er bietet durch sein Begeisterungs- und Integrationspotenzial eine Plattform zur Aushandlung demokratischer Prozesse.
wettstreit Sport bietet den perfekten Rahmen, um sich im Wettstreit fair zu messen: klare Regeln, klare Gegner, klare Strafen, ein vorgegebener Zeitraum sowie unparteiische Beobachter und Richter. Ob im Einzel oder als Team, man tritt gegeneinander an – unter genau definierten Bedingungen. Am Ende geht eine Seite als Gewinner und die andere als Verlierer vom Platz. Man reflektiert den stattgefundenen Wettkampf, respektiert die gegnerischen Leistungen und akzeptiert deren mögliche Überlegenheit sowie sein eigenes Scheitern. Nächstes Mal kann man es besser machen.
Was sich erst einmal vielleicht banal anhört, sind wichtige Grundregeln unserer freien demokratischen Wertegemeinschaft. Friedliche Lösungen, das Anerkennen von Unterschieden jeglicher Art und das Akzeptieren von Gesetzen und Grenzen. Der Umgang mit Sieg und Niederlage. Scheitern lernen. Weitermachen lernen. Sich verbessern. Im Team arbeiten, Stärken und Schwächen aufeinander abstimmen und Vertrauen aufbauen. Gemeinsame Ziele verfolgen.
Der Sport übernimmt neben seinen Kernkompetenzen weitere wichtige Aufgaben. Diesen Aufgaben muss man auch gerecht werden.
Das sind wichtige Aufgaben, die der Sport neben seinen Kernkompetenzen noch zusätzlich übernimmt und diesen Aufgaben muss man auch gerecht werden.
chance Bei den Olympischen Propaganda-Spielen von 1936 wurde diese Chance verpasst, und auch bis heute werden israelische Sportlerinnen und Sportler bei internationalen Wettkämpfen bis hin zu den Olympischen Spielen drangsaliert und gemieden. Sportler aus unterschiedlichen islamischen Ländern, fernab unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, verweigern, gemeinsam mit Israelis untergebracht oder zusammen im Bus gefahren zu werden.
Wiederholt kam es dazu, dass vor einem Wettkampf vorsätzlich «aufgegeben” wurde, um nicht gegen einen Israeli antreten zu müssen. Diese Praktiken sind vor allem aus dem Judo bekannt geworden. Der Judo Weltverband IJF ist hier seiner Pflicht – wenn auch etwas spät – nachgekommen, indem er gegen den Iran eine vierjährige Sperre verhängte, da solch ein Verhalten «nicht mit den Werten von Solidarität, Respekt und Freundschaft vereinbar sei”.
Doch hier muss mehr passieren! Autoritären Regimes darf es nicht gestattet werden, internationale Wettkämpfe zu instrumentalisieren, um sich als weltoffen zu inszenieren.
repressalie Oftmals spiegelt dieses Verhalten nicht die persönliche Meinung der Sportlerin oder des Sportlers wider, sondern ist eine Repressalie des jeweiligen Regimes, wie wir beim Beispiel des iranischen Judoka Saeid Mollaei sehen, der nach solch einer Praktik bei der WM 2019 nach Deutschland floh. Dem Sportler war die Religion oder Herkunft seines Gegners egal – er wollte seine Leistung im fairen Duell messen, und der Sport bot ihm einen Ausweg in ein freieres Leben.
Auf Deutschlands Fußballplätzen werden jedes Wochenende judenfeindliche, homophobe und rassistische Beschimpfungen und Drohungen ausgesprochen. Ein trauriger Höhepunkt war das Fußballspiel zwischen Maccabi Haifa gegen den 1. FC Union Berlin im Berliner Olympiastadion. Ausgerechnet an diesem geschichtsträchtigen Ort kam es zu antisemitischen Beleidigungen und dem versuchten Anzünden einer Israelfahne.
Das ist inakzeptabel und zeigt, dass noch immer viel Aufklärungsarbeit vor uns liegt. Darüber hinaus ist es wichtig, derartige Vorfälle öffentlich zu machen und ein unverzügliches und konsequentes Handeln der Entscheidungsträger zu fordern. Im genannten Beispiel hat die UEFA mit dem Hissen eines Banners mit der Aufschrift «NoToRacism” jedoch das Thema verfehlt. Es muss dringend auf allen Ebenen eine Sensibilisierung stattfinden.
diskriminierung Daher hat Makkabi Deutschland 2020 in Kooperation mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland das Bildungs- und Präventionsprojekt «Zusammen1 – Für das, was uns verbindet” ins Leben gerufen, um gegen Judenfeindlichkeit und Diskriminierungen jeglicher Art auf deutschen Sportplätzen vorzugehen.
Bereits seit 2021 arbeitet «Zusammen1” erfolgreich mit dem DFB und zahlreichen Bundesliga-Klubs zusammen, um die IHRA-Definition in die jeweiligen Statuten zu implementieren und zugehörige Workshops durchzuführen.
In den 38 Makkabi-Deutschland-Ortsvereinen trainieren und spielen Menschen jeglicher Religion, Herkunft und sexueller Orientierung Seite an Seite.
In den 38 Makkabi-Deutschland-Ortsvereinen trainieren und spielen Menschen jeglicher Religion, Herkunft und sexueller Orientierung Seite an Seite und sind herausragende Beispiele von erfolgreicher Integration und gelebter Nächstenliebe.
schabbat Bei den Makkabi Deutschland Junior Games 2018 in München, die dort zum ersten Mal stattfanden, trafen etwa 400 Jugendliche aller Religionen aufeinander. Und obwohl genau zu der Zeit auch Ramadan war, spielten fastende 16-jährige Fußballer mit uns zusammen und wir feierten gemeinsam Schabbat. Das sind die Brücken zum «Miteinander”, die wir bauen und brauchen.
Als Verband mit besonderen Aufgaben im Deutschen Olympischen Sportbund und Vertretung der jüdischen Minderheit in der deutschen Sportlandschaft setzen wir uns für und mit anderen Minderheiten für gelebte Diversität und Empowerment auf allen Ebenen ein. Beim deutsch-jüdischen Sportdachverband Makkabi Deutschland werden der interreligiöse Dialog und die interkulturelle Kompetenz großgeschrieben. Ein Paradebeispiel mit Modellcharakter für viele andere Sportvereine und -verbände.
Und obwohl es weiterhin und leider vermehrt zu anti-israelischen sowie judenfeindlichen Übergriffen auf deutschen Sportplätzen kommt, haben wir einen guten Ansatzpunkt zur Kommunikation über die gemeinsame Liebe zum Sport. Aus Sport Demokratie machen.
Der Autor ist Vizepräsident für Sport von Makkabi Deutschland.