Joshua Schultheis

Fragiles jüdisches Selbstverständnis

Wir dürfen Corona-Leugnern und Antisemiten nicht das Feld überlassen

von Joshua Schultheis  27.01.2022 06:20 Uhr

Joshua Schultheis Foto: Charlotte Bolwin

Wir dürfen Corona-Leugnern und Antisemiten nicht das Feld überlassen

von Joshua Schultheis  27.01.2022 06:20 Uhr

Ein renommierter jüdischer Infektiologe lehnt die Anfrage der Jüdischen Allgemeinen ab, ihn für einen Beitrag zu porträtieren. Seine Begründung: Die mediale Darstellung jüdischen Lebens in Deutschland sei ihm zwar wichtig, zurzeit überwiege jedoch seine Sorge, er könnte damit den falschen Leuten und deren verqueren Ansichten Vorschub leisten.

Zwar wird öffentlich häufig beklagt, dass der Antisemitismus in Zeiten der Corona-Pandemie Hochkonjunktur hat. Selten wird aber danach gefragt, wie das durch Corona-Leugner befeuerte antisemitische Klima das Selbstverständnis der in diesem Land lebenden Juden verändert.

Das Beispiel des jüdischen Arztes zeigt: Eine Antwort auf diese Frage bliebe wohl ohnehin meistens aus. Denn wer befürchten muss, dass jeder Schritt in die Öffentlichkeit zu Beleidigungen und Bedrohungen einlädt, sucht gerade eben keine Aufmerksamkeit.

TREND Das trifft auch Juden, die nicht »ausgerechnet« auch noch Infektiologen sind. Sprechen sie sich etwa öffentlich für Impfungen aus, müssen sie noch mehr als andere mit dem Vorwurf einer besonderen Nähe zu »denen da oben« oder einer hintergründigen Agenda rechnen.

Juden in Deutschland bewegen sich immer selbstverständlicher in Politik und Medien, sprechen dort über ihren jüdischen Alltag genauso wie über allgemeinpolitische Themen. Dieser Trend ist in Gefahr.

Die sogenannten Querdenker glauben, sie seien »die neuen Juden«, diffamiert und ausgegrenzt.

Die sogenannten Querdenker glauben, sie seien »die neuen Juden«, diffamiert und ausgegrenzt. Es ist aber auch ihr Wahn, der droht, genau diejenigen wieder aus der Öffentlichkeit zu drängen, an deren Stelle sie sich imaginieren.

SCHUTZ Um eines klarzustellen: Die Juden sind die neuen Juden. Immer schon musste die hiesige jüdische Gemeinschaft – und damit auch diese Zeitung – zwei Güter abwägen: selbstbewusste Präsentation jüdischen Lebens auf der einen, Schutz desselben auf der anderen Seite.

Unsere Zeit bringt es leider mit sich, dass zunehmend zugunsten des Letzteren entschieden werden muss. Ein Grund mehr, Corona-Leugnern und Antisemiten nicht das Feld zu überlassen.

Der Autor ist freier Journalist in Berlin.

Appell

Reißt euch zusammen!

Die Parteien der demokratischen Mitte müssen in der Migrationspolitik endlich Kompromisse eingehen – alles andere stärkt die Extremisten

von Ayala Goldmann  05.02.2025

Kommentar

Historischer Tabubruch? Einreißen der Brandmauer?

Friedrich Merz und die Verschärfung der Migrationspolitik: Eine Einordnung von JA-Chefredakteur Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  05.02.2025 Aktualisiert

Kommentar

Hoffen wir, dass Donald Trump einen Plan hat

Der US-Präsident will den Gazastreifen besetzen und hätte nichts dagegen, wenn Israel Teile des Westjordanlands annektieren würde. Was will er damit bezwecken?

von Nils Kottmann  05.02.2025 Aktualisiert

Meinung

Das erdrückende Schweigen der »Anständigen« beim Thema Antisemitismus

Hunderttausende demonstrieren gegen Rechtsextremismus und skandieren »Nie wieder ist jetzt«. Doch beim Antisemitismus sind sie erstaunlich still

von Ralf Balke  03.02.2025

Meinung

Ohne sie sind wir nicht vollständig

Wir dürfen und werden nicht ruhen, bis endlich wieder alle Geiseln zu Hause sind

von Benjamin Graumann  02.02.2025

Meinung

Mutig wie Liri Albag

Ein Mädchen, das gerade einmal 18 Jahre alt war, als es von Hamas-Verbrechern verschleppt wurde, ist zum Symbol für Kraft und Resilienz geworden – und zum Vorbild für uns alle

von Sophie Albers Ben Chamo  01.02.2025

Meinung

Dieser Weg führt zu einer Koalition mit der AfD

Die Union und ihr Kanzlerkandidat haben sich verrannt. Wird eine Mehrheit im Bundestag mithilfe der AfD zur Regel, kommt die rechtsextreme Partei früher oder später an die Macht

von Joshua Schultheis  01.02.2025

Kommentar

Der stumme Schrei der Arbel Yehoud

Die Israelin wurde am Donnerstag von den Hamas-Terroristen endlich freigelassen. Die junge Frau muss unvorstellbare Qualen ausgestanden haben

von Nicole Dreyfus  31.01.2025

Meinung

Antisemitismus-Resolution: Besser spät als nie

Der Bundestag hat eine Erklärung gegen Juden- und Israelhass im Bildungsbereich verabschiedet. Nun muss diese konsequent umgesetzt werden

von Nicole Pastuhoff  30.01.2025