Rabbiner Shlomo Afanasev

Fleischverzehr oder Veganuary?

Die Tora verbietet vegane Ernährung keineswegs – sie ist einigen Meinungen zufolge sogar ein Ideal

von Rabbiner Shlomo Afanasev  26.01.2021 12:08 Uhr

Rabbiner Shlomo Afanasev Foto: Gregor Zielke

Die Tora verbietet vegane Ernährung keineswegs – sie ist einigen Meinungen zufolge sogar ein Ideal

von Rabbiner Shlomo Afanasev  26.01.2021 12:08 Uhr

Für den Januar hatte die Kampagne »Veganuary« Menschen dazu animiert, sich vegan zu ernähren – einen Monat lang. Obwohl Fleisch in den meisten traditionellen jüdischen Häusern ein wesentlicher Bestandteil der Mahlzeiten am Schabbat und Jom Tow ist und sowohl der Schulchan Aruch als auch die Mischna Berura dessen Verzehr nachdrücklich fördern, verpflichtet die Halacha heutzutage nicht, Fleisch zu essen.

Rabbiner David Bleich schlägt vor, dass selbst der große jüdische Gelehrte Maimonides, der Rambam, zugeben würde, dass es keine Verpflichtung gibt, Fleisch zu essen – wenn man Fleisch nicht mag. Aus philosophischer Sicht sollte sich im Idealfall die gesamte Menschheit vegan ernähren – das meinte zumindest Rav Kook. Er ging sogar so weit, vorzuschlagen, dass im dritten Tempel Opfergaben eher von Pflanzen und Gemüse als von Tieren stammen sollen. Er warnte jedoch davor, sich übermäßig um das Wohlerge­hen der Tiere zu kümmern, bevor die Krankheiten der Menschheit geheilt seien.

GESCHMACK Es ist zweifellos inakzeptabel für das jüdische Denken, sich ebenso um das Wohlergehen der Tiere wie um das der Menschen zu kümmern. Darüber hinaus hatte Rav Kook Vorbehalte, ob pflanzenbasierte Ernährung aus rein moralischer Überzeugung praktiziert werden sollte. Veganismus solle nur im Zusammenhang mit anderen Gründen praktiziert werden: etwa aus Abneigung gegen den Geschmack von Fleisch.

Die meisten Gelehrten glauben, dass der moderate Verzehr von Fleisch vollständig mit den Idealen der Tora vereinbar ist.

Die Tora verbietet also vegane Ernährung keineswegs – sie ist einigen Meinungen zufolge sogar ein Ideal. Die meisten Gelehrten glauben jedoch, dass der moderate Verzehr von Fleisch vollständig mit den Idealen der Tora vereinbar ist. Rabbi Bleich beginnt seine Diskussion über pflanzliche Ernährung und Judentum angemessen, mit einem Talmudzitat, wonach »die Menschen von Gott zur Rechenschaft gezogen werden, wenn es um alles geht, was ihre Augen sehen, was sie aber nicht probiert haben«.

Dementsprechend ist die Praxis der meisten traditionellen Juden, Fleisch zu konsumieren, völlig angemessen und steht im Einklang mit den Idealen der Tora. Und doch: Ein gesunder Wunsch, einen Monat lang vom fleischverzehrenden Konsum Abstand zu nehmen, sollte keinesfalls als unangemessenes Verhalten betrachtet werden.

Der Autor ist Rabbiner bei Kahal Adass Jisroel in Berlin.

Meinung

98-mal Hoffnung

Melody Sucharewicz sieht die Hamas entschieden geschwächt und bangt mit ganz Israel um die Geiseln in Gaza

von Melody Sucharewicz  15.01.2025

Kommentar

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Ein Deal ist die einzige Chance, die Geiseln noch aus der Gewalt der Hamas zu retten

von Mascha Malburg  15.01.2025

Meinung

Düsseldorfs braunes Erbe

Beim Gedenken muss die Stadt konsequent sein

von Oded Horowitz  12.01.2025

Meinung

Tiefpunkt für die Pressefreiheit

An der besetzten Alice Salomon Hochschule versuchte die Rektorin zusammen mit israelfeindlichen Aktivisten, die journalistische Berichterstattung zu verhindern

von Jörg Reichel  10.01.2025

Meinung

Hitler ein Linker? Der »Vogelschiss«-Moment der Alice Weidel

Mir ihren Aussagen zu Adolf Hitler im Gespräch mit Elon Musk hat die AfD-Chefin erneut ihre Inkompetenz bewiesen

von Michael Thaidigsmann  10.01.2025

Meinung

Wo Extremisten keine Gegenwehr fürchten müssen

In Berlin wurde die Alice Salomon Hochschule von Hamas-Sympathisanten besetzt. Erneut setzen weder die Studierendenschaft noch das Präsidium der Terrorverherrlichung etwas entgegen

von Noam Petri  08.01.2025

Meinung

Der Neofaschist Herbert Kickl ist eine Gefahr für Österreich

In der FPÖ jagt ein antisemitischer »Einzelfall« den anderen, ihr Obmann will die liberale Demokratie abschaffen und könnte schon bald Kanzler sein

von Bini Guttmann  08.01.2025

Sebastian Leber

Treitschke ist nicht »umstritten«

Die CDU in Berlin-Steglitz weigert sich, den eindeutigen Antisemitismus des Historikers anzuerkennen – und macht sich damit im Streit um einen Straßennamen unglaubwürdig

von Sebastian Leber  07.01.2025

Volker Beck

Christoph Heusgen: Ein außenpolitischer Bruchpilot

Die Kritik des Spitzendiplomaten an Israel ist niederträchtig – und seine eigene politische Bilanz verheerend

von Volker Beck  02.01.2025