Für den Januar hatte die Kampagne »Veganuary« Menschen dazu animiert, sich vegan zu ernähren – einen Monat lang. Obwohl Fleisch in den meisten traditionellen jüdischen Häusern ein wesentlicher Bestandteil der Mahlzeiten am Schabbat und Jom Tow ist und sowohl der Schulchan Aruch als auch die Mischna Berura dessen Verzehr nachdrücklich fördern, verpflichtet die Halacha heutzutage nicht, Fleisch zu essen.
Rabbiner David Bleich schlägt vor, dass selbst der große jüdische Gelehrte Maimonides, der Rambam, zugeben würde, dass es keine Verpflichtung gibt, Fleisch zu essen – wenn man Fleisch nicht mag. Aus philosophischer Sicht sollte sich im Idealfall die gesamte Menschheit vegan ernähren – das meinte zumindest Rav Kook. Er ging sogar so weit, vorzuschlagen, dass im dritten Tempel Opfergaben eher von Pflanzen und Gemüse als von Tieren stammen sollen. Er warnte jedoch davor, sich übermäßig um das Wohlergehen der Tiere zu kümmern, bevor die Krankheiten der Menschheit geheilt seien.
GESCHMACK Es ist zweifellos inakzeptabel für das jüdische Denken, sich ebenso um das Wohlergehen der Tiere wie um das der Menschen zu kümmern. Darüber hinaus hatte Rav Kook Vorbehalte, ob pflanzenbasierte Ernährung aus rein moralischer Überzeugung praktiziert werden sollte. Veganismus solle nur im Zusammenhang mit anderen Gründen praktiziert werden: etwa aus Abneigung gegen den Geschmack von Fleisch.
Die meisten Gelehrten glauben, dass der moderate Verzehr von Fleisch vollständig mit den Idealen der Tora vereinbar ist.
Die Tora verbietet also vegane Ernährung keineswegs – sie ist einigen Meinungen zufolge sogar ein Ideal. Die meisten Gelehrten glauben jedoch, dass der moderate Verzehr von Fleisch vollständig mit den Idealen der Tora vereinbar ist. Rabbi Bleich beginnt seine Diskussion über pflanzliche Ernährung und Judentum angemessen, mit einem Talmudzitat, wonach »die Menschen von Gott zur Rechenschaft gezogen werden, wenn es um alles geht, was ihre Augen sehen, was sie aber nicht probiert haben«.
Dementsprechend ist die Praxis der meisten traditionellen Juden, Fleisch zu konsumieren, völlig angemessen und steht im Einklang mit den Idealen der Tora. Und doch: Ein gesunder Wunsch, einen Monat lang vom fleischverzehrenden Konsum Abstand zu nehmen, sollte keinesfalls als unangemessenes Verhalten betrachtet werden.
Der Autor ist Rabbiner bei Kahal Adass Jisroel in Berlin.