Oleg Shevchenko

Evakuiert Moria und rettet Leben!

Oleg Shevchenko Foto: Christian Lemke

Flucht und Vertreibung sind ein wesentlicher Bestandteil der kollektiven Erfahrung des Judentums. Vor den Feiertagen sind wir uns dessen sicherlich viel mehr bewusst. Es sind natürlich auch die mündlich überlieferten Geschichten unserer Familien, unserer Großeltern- und Elterngeneration, die sich durchweg in den Details unseres Alltags wiederfinden und die häufig über Jahre nie richtig aufgearbeitet wurden.

Die Hohen Feiertage bringen Alt und Jung zusammen. Sie schaffen Räume, über die Familiengeschichte zu sprechen. Meine Großeltern flohen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs aus Belarus nach Zentralasien – sie schafften das nur dank Überlebenskunst und viel Herzblut der Menschen vor Ort. Später entschieden sich viele zur Flucht vor dem Antisemitismus in der Sowjetunion. Genau darüber sollten wir viel mehr sprechen.

Jüdische Familiengeschichte ist von Fluchterfahrung geprägt. Genau darüber sollten wir viel mehr sprechen.

Warum? Weil wir in einer Zeit leben, in der weiterhin viele Menschen nach Zuflucht suchen. Seit Wochen gehen mir die Bilder aus Moria nicht mehr aus dem Kopf. Dabei haben die NGOs schon länger auf das Elend hingewiesen und gehofft, dass die EU sich auf ihre Werte besinnt – vergebens. Viele Kommunen in Deutschland zeigen sich solidarisch: Sie würden freiwillig Geflüchtete aufnehmen, darunter auch Thüringen und Berlin.

APPELL Wenn jetzt Bundestagsabgeordnete Briefe mit Bitten um Aufnahme an die Bundesregierung schreiben, reicht das nicht aus. Sie sollen Verantwortung übernehmen und notfalls mit einem Gruppenantrag versuchen, eine Mehrheit im Bundestag zu finden – jenseits der Koalitionsgrenzen. Denn Deutschland wird als eines der reichsten Länder der Welt weder mit der Aufnahme von 150 noch 1500 Menschen der eigenen Verantwortung gerecht.

Vor den Hohen Feiertagen braucht es deshalb auch einen starken jüdischen Appell an die Bundesregierung: Evakuiert Moria und rettet Leben! Denn kein Mensch ist illegal.

Der Autor ist Landesvorsitzender der Jusos Thüringen.

Kommentar

Shiri, mein Herz bricht für dich

Sarah Cohen-Fantl will nicht verzeihen, dass Shiri, Kfir und Ariel Bibas nicht gerettet wurden

von Sarah Cohen-Fantl  21.02.2025

Katrin Richter

Demokratie statt Lethargie

Wer nicht wählt, muss mit dem leben, was dann dabei herauskommt

von Katrin Richter  21.02.2025

Igor Mitchnik

Europa muss sich hinter die Ukraine stellen

Trump denkt nicht transatlantisch, sondern transaktional

von Igor Mitchnik  20.02.2025

Meinung

Kennen Sie Abed Hassan?

Vieles, was der Berliner sagt, ist bedenklich nah dran an Hamas-Propaganda.

von Susanne Stephan  19.02.2025

Glosse

Ein Hoch auf die Israelkritik

Der »Spiegel« hat mit dem indischen Essayisten Pankaj Mishra ein »erhellendes« Interview zum Nahostkonflikt geführt

von Michael Thaidigsmann  18.02.2025

Meinung

Wie das Ende eines Alptraums, der fünf Jahre gedauert hätte

Alon Ishay ist erleichtert, dass die Koalitionsgespräche der FPÖ vorerst gescheitert sind

von Alon Ishay  17.02.2025

Meinung

Was »Sensibilität« bei der Berlinale bedeutet

Das Film-Festival hat eigens FAQ zum Nahostkonflikt veröffentlicht und distanziert sich darin gleich von der Antisemitismus-Resolution des Bundestages

von Maria Ossowski  20.02.2025 Aktualisiert

Einspruch!

Holt sie aus der Hölle raus

Sabine Brandes fordert, alles dafür zu tun, um auch die letzten verbliebenen Geiseln zu retten

von Sabine Brandes  13.02.2025

Meinung

Kanye West und der grassierende Antisemitismus in den USA

Die neuesten judenfeindlichen Eskapaden des Rapstars sind symptomatisch für eine bedrohliche Diskursverschiebung, die von Donald Trump und Elon Musk befeuert wird

von Ruben Gerczikow  10.02.2025