Seit Langem steht die Europäische Union in der Kritik. Immer dort, wo die Einstimmigkeit der 27 Regierungen notwendig sei – zum Beispiel bei Anstrengungen gegen den wachsenden Antisemitismus, der Impfstoffbeschaffung oder in der Außenpolitik –, handele Brüssel zu zögerlich, erziele nur den kleinsten gemeinsamen Nenner und lasse gar zu, dass einige wenige der Mitgliedsländer die ganze EU lahmlegten.
Manche dieser Vorwürfe wirkten zwar schon früher reichlich übertrieben oder waren schlicht falsch. Fest steht aber: Der russische Einmarsch in die Ukraine hat die Verantwortlichen in Brüssel und den anderen EU-Hauptstädten wachgerüttelt; sie zusammengeschweißt.
mitgliedsstaaten Plötzlich ist vieles machbar: knallharte Wirtschaftssanktionen gegen Russland, milliardenschwere Finanzspritzen und auch Waffenlieferungen an Kiew. Die 27 Mitgliedsstaaten haben sich schnell auf eine gemeinsame Haltung in der Flüchtlingsfrage geeinigt. Sogar ein EU-Beitritt der Ukraine erscheint nun möglich.
Fast täglich werden dieser Tage in Brüssel heilige Kühe geschlachtet.
Fast täglich werden dieser Tage in Brüssel heilige Kühe geschlachtet. Jedem ist bewusst, dass die gemeinsamen Grundwerte Europas nicht durch hehre Deklarationen, sondern durch rasches Handeln verteidigt werden. Das gilt nach innen wie nach außen. Die mutigen Ukrainer haben Europa gezeigt, dass man Aggressoren nicht einfach gewähren lassen darf.
folgen Das könnte auch im Innern der Union Folgen haben. Letzte Woche beschloss der EU-Ministerrat einstimmig ein Paket zum Kampf gegen den Antisemitismus. Es fand naturgemäß wenig Beachtung, gibt es doch Wichtigeres in diesen Tagen. Auch der Konflikt mit Polen und Ungarn über die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien ist nun in den Hintergrund getreten.
Europa rückt zusammen. Es besinnt sich auf seine Stärken. Demonstrative Entschlossenheit und Einigkeit im Handeln gehören neuerdings dazu. Das Räderwerk der EU läuft auf Hochtouren, es funktioniert erstaunlich reibungslos. Jeder weiß: Nur so besteht eine Chance, die dramatischen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs für Europa zu bewältigen.