Jüdische LGBTIQ*+-Personen erleben oft Herausforderungen in queeren Räumen, da antisemitische Stereotype auch hier Platz finden. Aus diesem Grund haben wir, der Verein Keshet Deutschland e.V., uns zum Ziel gesetzt, nicht nur in jüdischen Räumen über Queerness aufzuklären, sondern auch in nicht-jüdischen queer- oder LGBTIQ+-Räumen Bildungsarbeit gegen Antisemitismus zu leisten.
Seit unserer Gründung im November 2019 haben wir zahlreiche Gespräche mit queeren Personen und Organisationen geführt, und wichtige Verbindungen aufgebaut. Doch nach dem 7. Oktober schien unsere Arbeit vergeblich zu sein: Viele dieser Verbindungen und Gespräche brachen ab oder es schien, als hätten sie nie stattgefunden.
In diesen schwierigen Zeiten verdient die israelische Organisation »The Aguda« Respekt, weil sie der ILGA (steht für International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association) vorgeschlagen hat, den nächsten Kongress des Dachverbandes für die Rechte von LGBTIQ*-Personen in Tel Aviv abzuhalten. Angesichts der katastrophalen Entwicklungen seit dem 7. Oktober war das ein mutiger Schritt und ein starkes Signal gegen Antisemitismus.
Den Kongress in Tel Aviv abzuhalten, würde deutlich machen, dass die Trauer um die Geiseln und die Trauer um die Opfer in Gaza nebeneinander bestehen können. Es wäre ein Zeichen, dass wir gemeinsam demokratische Werte vertreten und für Sichtbarkeit, Inklusion und Diversität kämpfen können. Denn für jüdische Queers, die eine Minderheit innerhalb einer Minderheit sind, ist es wichtig, dass ihre Identitäten als Jüdinnen und Juden und als queer nicht in Konkurrenz zueinander stehen.
Doch die ILGA hat die Mitgliedschaft von »The Aguda« wegen dieses Vorschlags suspendiert. Nicht nur das: Sie hat sich sogar dafür entschuldigt, ihn auch nur in Betracht zu ziehen. Das sei den Mitgliedern in Südafrika mit ihren Apartheids- und Kolonialismuserfahrungen nicht zumutbar und »stünde im Widerspruch mit der eindeutigen Solidarität mit dem palästinensischen Volk«, behauptet die ILGA.
Diese Reaktion ist schmerzhaft, unverhältnismäßig und antisemitisch – und sie spiegelt leider wider, was wir derzeit in queeren Räumen erleben. Sie trifft auch die Falschen: »The Aguda« leistet bedeutende Arbeit, insbesondere in der psychosozialen Betreuung von arabischen Queers und im Bestreben, arabische LGBTIQ*+-Personen nach Israel zu holen, wo die Gesetze für LGBTIQ*+-Personen im Mittleren Osten am fortschrittlichsten sind.
Es ist unverständlich, warum gerade diese Organisation so stark kritisiert wird. Dennoch hoffen wir, dass durch diese Auseinandersetzung »The Aguda« und ihre wichtige Arbeit mehr mediale Aufmerksamkeit erhält.
Ariel Elbert ist Mitglied im Vorstand von Keshet.