Es geschah vor einem Jahr. Am 4. Januar 2023 überraschte Israels Justizminister Yariv Levin mit seiner Ankündigung einer »Justizreform«. Ein hastig zusammengeschustertes Projekt, das die Gesellschaft spaltete und Hunderttausende Israelis monatelang dazu brachte, für Gewaltenteilung und den Erhalt der Demokratie zu protestieren.
Trotzdem peitschte Benjamin Netanjahu mithilfe seiner rechtsextremen und ultraorthodoxen Koalitionspartner im Juli 2023 ein zentrales Element der »Reform« durch die Knesset: Mit 64 zu 120 Stimmen wurde ein Gesetz verabschiedet, das die »Angemessenheitsklausel« abschaffen sollte. Unter Berufung auf diesen Grundsatz hatten die Obersten Richter im Januar 2023 die Ernennung des wegen Korruption und Steuerhinterziehung verurteilten Schas-Politikers Arie Deri als Innenminister in Netanjahus Kabinett vereitelt.
Änderung eines Grundgesetzes und Grundwerte
An diesem Montag kassierte das Oberste Gericht nun mit einem Paukenschlag das Gesetz vom Juli 2023. Die Begründung war eindeutig: Die Gesetzesänderung hätte »den Kerneigenschaften des Staates Israel als demokratischem Staat schweren und beispiellosen Schaden zugefügt«. Die Knesset könne keine Änderung eines Grundgesetzes beschließen, die gegen die Grundwerte Israels verstoße.
Damit haben die Richter mitten im Krieg, knapp drei Monate nach den Massakern der Hamas an mehr als 1200 Israelis, ein wegweisendes Urteil gefällt, das endlich wieder Hoffnung macht. Denn viele Israelis führen den Angriff der Terroristen auch auf die Spaltung ihrer Gesellschaft durch die geplanten Änderungen im Justizsystem zurück.
Yariv Levin und seine »Reformfreunde« allerdings zeigten sich unbeeindruckt vom Richterspruch – wobei Netanjahu, der nicht zuletzt wegen eines Korruptionsprozesses gegen ihn selbst die Macht von Richtern einschränken will, sich zunächst nicht zu dem Urteil geäußert hat. Der Kampf um den Erhalt von Israels demokratischem Charakter ist noch nicht gewonnen. Verloren ist er aber auch nicht.
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