Nicht nur der Neckar tritt in diesen Tagen über seine Ufer. Die zyklische Flutwelle des Antisemitismus bricht auch an deutschen Universitäten über meine Generation wie ein unaufhaltsamer Tsunami herein. Solche Zeiten erfordern von den Universitätsorganen mehr als Verwaltung. Sie erfordern eine moralische Führung und Vorbildfunktion.
Offener Dialog kann nur mit denjenigen stattfinden, die verstanden haben, warum die Hamas in Deutschland verboten ist – und nicht mit ihren Sympathisanten. Wissenschaft endet dort, wo Agitation beginnt. Ohne diese Klarheit schafft sich die Universität Heidelberg selbst ab. Dass eine Dozentin trotzdem Hamas-Sympathisanten als Referenten eingeladen hat, ist besorgniserregend.
Doch es gibt einen Hoffnungsstrahl: Studierendenorganisationen der demokratischen Parteien riefen für Dienstagabend zu einer Kundgebung auf, der sich auch jüdische Studierendenorganisationen anschlossen. Zeitgleich demonstrierte der lokale Ableger von »Students for Palestine« gegen die »zionistische Presse«, und das ausgerechnet auf dem Universitätsplatz, auf dem 1933 die Bücher jüdischer Autoren verbrannt wurden.
Üppige Fantasien gewaltvoller Eskalation und freudsche Projektionen
Der in letzter Minute abgesagte Vortrag der Hamas-Sympathisanten wurde trotzdem gehalten, noch an Ort und Stelle, ausgeschmückt mit üppigen Fantasien gewaltvoller Eskalation und freudschen Projektionen.
Während die Einsichtigen das Leid anderer anerkennen, fordern die Unbelehrbaren es in ihren Parolen.
Während die Einsichtigen das Leid anderer anerkennen, fordern die Unbelehrbaren es in ihren Parolen. So offenbart sich der Unterschied zwischen Empathie und Hass, zwischen einer Kundgebung und der anderen. Doch die Empathie ist an diesem Dienstag stärker als der Hass der Hamas-Sympathisanten.
Entschlossen, trotz Einschüchterung auf sozialen Medien und vereint durch demokratische Werte, drücken engagierte Studierende ihre eindeutige Haltung gegen Gewaltverherrlichung und ihr Mitgefühl für die Opfer des Massakers vom 7. Oktober aus. Diese moralische Klarheit sollte sich die solidarische Studierendenschaft bewahren, denn sie wird in Zukunft noch bedeutsamer sein.
Die Autorin ist Mitglied der Studierendenvertretung an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg.