Nach dem Fall Harvey Weinstein hätten die USA mit Jeffrey Epstein einen neuen Skandal, »in dem sich nicht nur die Namen ähneln«. So moderierte Caren Miosga in den »Tagesthemen« einen Beitrag zum Suizid des Milliardärs an. Das erinnert an den Witz, warum die Juden schuld am Untergang der »Titanic« sind: »Goldberg, Eisberg? Alle gleich!« Doch wie beim Untergang des Passagierschiffs gibt es auch bei Epstein und Weinstein nichts zu lachen. Im Gegenteil.
Ja, Amerika hat einen neuen Missbrauchsskandal, und die jüdische Community in Amerika tappt erneut in die Falle, sich dafür verantwortlich zu fühlen. Ja, wir sind füreinander verantwortlich, heißt es im Talmud. Doch darüber hinaus gerät die Diskussion aus den Fugen – mit wirren Beschuldigungen und Verschwörungstheorien.
SCHAM Es gibt ein Rätselraten darüber, warum sich Epstein umbrachte. War es Scham, gar der verzweifelte Versuch einer Umkehr? Selbstmord ist kein Vehikel für Tschuwa, da sind sich alle einig; schonungsloses Offenlegen wäre nötig, aber dem kam Epstein nun zuvor.
Die Diskussion gerät aus den Fugen
– mit wirren Beschuldigungen und Verschwörungstheorien.
Auch über Epsteins Spendentätigkeit wird diskutiert. Gibt es so etwas wie »moralische Geldwäsche«? Die Einsicht, dass die Quelle einer Spende zumindest fragwürdig ist, sei der erste Schritt in Richtung Gerechtigkeit, sagte ein Mitglied des »Committee on Ethics in Jewish Leadership«. Es gibt keine Wohltätigkeit ohne Gerechtigkeit, Zedaka ist eben beides.
SPENDEN Also was tun mit den Spenden von Übeltätern? Wenn sie getätigt wurden, um Tschuwa zu erreichen, sollten sie akzeptiert werden, so wie jede ernst gemeinte Tschuwa auch Akzeptanz verdient. Im Falle von Epstein kann das nun nicht mehr geklärt werden. Die Mischna lehrt, dass wir über unsere Mitmenschen günstig urteilen sollen. Wir wissen nicht, was sie im Herzen haben – sie wissen es selbst oft nicht.
Was bleibt? Vielleicht immerhin die Einsicht, dass ein Committee on Ethics in Jewish Leadership sinnvoll ist, auch hierzulande. Am besten, bevor ein Fall eintritt. Noch besser: um solche Fälle von vornherein zu verhindern. Da sind nicht nur wir Rabbiner gefragt.
Der Autor kommt aus New York und ist Rabbiner der Budge-Stiftung in Frankfurt.