Mit seinen Äußerungen zur Tora hat Papst Franziskus kürzlich in einer Ansprache in Rom suggeriert, die jüdischen Gesetze seien obsolet und »schenkten kein Leben mehr«. Dafür hat ihn das israelische Oberrabbinat heftig kritisiert. Zu Recht!
Natürlich war die Wortwahl des Papstes enttäuschend und ein Fauxpas – eine Trendwende in den jüdisch-katholischen Beziehungen oder gar ein Ende des Dialogs ist es aber nicht. Der Dialog ist ein Prozess, und selbst nach 55 Jahren Nostra aetate sind längst nicht alle Punkte geklärt. Trotz eines aufrichtigen Bemühens auf christlicher Seite dauert es Jahre oder sogar Generationen, bis sich grundlegende Einstellungen ändern.
Veränderung In den vergangenen Jahrzehnten hat die katholische Kirche bei Themen wie Antisemitismus, Gottes ungebrochenem Bund, Schoa oder Judenmission enorme Entwicklungen und aus jüdischer Sicht sehr positive Veränderungen durchgemacht.
Doch die Äußerungen des Papstes zeigen, dass die Frage nach der Stellung des jüdischen Rechts in der katholischen Lehre bisher nicht grundlegend behandelt worden ist.
Die katholische Position bleibt damit inkonsequent. Viele Christen verstehen die jüdische Sicht auf die Schönheit und Wahrheit der Halacha und ihre Rolle als Form der Befreiung für uns Juden nicht. Gerade deshalb brauchen wir den Dialog mit den Kirchen umso mehr.
Die Annäherung zwischen Kirche und Judentum wird nicht alle Missverständnisse ein für alle Mal ausräumen können, und sie wird zwangsläufig zu Kontroversen und Meinungsverschiedenheiten führen. Doch durch den theologischen Dialog entsteht eine wichtige Beziehung, dank der es Raum für Begegnung, Zusammenarbeit und offene Diskussionen gibt. Jetzt ist der Moment gekommen, ihn endlich weiter voranzubringen.
Der Autor ist Mitteleuropa-Direktor des Center for Jewish-Christian Understanding and Cooperation sowie Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD).