Sederabende sind beliebt – anscheinend auch in Kirchengemeinden. Immer öfter wird am sogenannten Gründonnerstag dazu eingeladen. In diesem Jahr fällt das christliche Osterfest mit dem jüdischen Pessachfest zusammen. Nun wird also die Haggada Vorlage für einen Abend in einigen christlichen Gemeinden. Da werden Mazzot gegessen, es wird »Ma Nischtana« gesungen, und Segenssprüche werden aufgesagt, in denen es heißt, dass Gott »uns« die Mizwot gegeben hat. Stellt sich die Frage: Wer rückt an »unsere«, an die jüdische Stelle?
ABENDMAHL Man »spüre« dem Juden Jesus nach, heißt es oft in den Einladungen. Er habe vor seinem Tod ein letztes Abendmahl, kurz vor Pessach also wohl einen Seder, gefeiert. Ausgeblendet wird dabei, dass es den zur Zeit des Tempels so noch gar nicht gab. Wer das Fest wie zu biblischen Zeiten feiern will, müsste ein Lamm opfern und es mit Bitterkräutern und Mazzot essen!
Veranstalter von kirchlichen
Sederabenden nehmen
Juden nicht ernst.
Dass jüdische Gemeinden christliche Sederabende für keine gute Idee halten, sollte bekannt sein. Und so zeigen die Veranstalter, dass sie ihr Gegenüber im »christlich-jüdischen« Dialog nicht wirklich ernst nehmen. Sie glauben, sie dürften sich an jüdischen Riten quasi bedienen. Wer Elemente der jüdischen Tradition sich aneignet, lässt den nötigen Respekt vor dem Judentum vermissen.
GESCHICHTE Oft heißt es, man müsse den Sederabend veranstalten, weil es ja keinen Zugang zu einem »authentischen« Judentum gebe, schließlich leben in Deutschland so wenige Juden. Gewiss ist es eine bedauerliche historische Tatsache, dass nicht alle Interessierten jüdische Nachbarn haben. Aber diese Leerstelle, die viel mit der deutschen Geschichte zu tun hat, mit gutem Willen, mit Nachahmen oder gar gefühltem Stellvertretertum zu füllen, sollten wir nicht akzeptieren.
Was könnte helfen? Denkbar ist, dass Juden auch einmal nichtjüdische Nachbarn einladen, um mit ihnen einen Seder zu begehen. Jüdisch eben und nicht kirchlich.
Der Autor ist Mitglied der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen.