Einspruch

Eine tiefe Zäsur

Alexander Friedman Foto: privat

Als Putins Truppen am 24. Februar in die Ukraine einmarschierten, begann eine neue Zeit – für die Ukraine, für Russland, für Europa und die ganze Welt. Für russischsprachige Juden markiert der Krieg eine tiefe Zäsur: Er ruiniert das jüdische Leben und führt zu einem Exodus.
Etliche ukrainische Juden kämpfen an der Front, viele wandern nach Israel aus, andere kommen nach Deutschland.

Obwohl Israel die Ukraine diplomatisch, mit Geheimdienstinformationen und humanitärer Hilfe unterstützt, wird die israelische Position ambivalent wahrgenommen: Aus Kiewer Sicht tut der jüdische Staat zu wenig für die Ukraine – aus Moskauer Sicht tut er zu viel. So verschlechtern sich die russisch-israelischen Beziehungen, wobei der Kreml gerade den Braindrain verhindern möchte. Russlands Propaganda schreckt nicht mehr vor Antisemitismus zurück.

zuwanderer Der Krieg, der in Russland zu einem Kampf gegen die neuen »Nazis« und somit zur Fortsetzung des Zweiten Weltkriegs stilisiert wird, spaltet die jüdische Bevölkerung in Befürworter und Gegner Moskaus. Erbitterte Diskussionen, zerbrochene Beziehungen und Freundschaften gehören längst zum Alltag auch unter jüdischen Zuwanderern in Deutschland.

Der Krieg trifft Schoa-Überlebende. Sie müssen am Ende ihres Lebens aus der Ukraine fliehen, sie leben und sterben unter katastrophalen Bedingungen.

Der Krieg trifft Schoa-Überlebende. Sie müssen am Ende ihres Lebens aus der Ukraine fliehen, sie leben und sterben unter katastrophalen Bedingungen. Der Holocaust wird zu einem politischen Thema, wobei inzwischen überzogene Vergleiche mit dem nationalsozialistischen Judenmord in der Ukraine, in Russland und in Europa weit verbreitet sind.

Der Krieg beschert der Ukraine und der freien Welt einen Helden: Wolodymyr Selenskyj. Seine jüdische Herkunft wird zwar immer häufiger hervorgehoben, und er ist sich seiner Herkunft auch bewusst, doch er hat keine ausgeprägte jüdische Identität.

Das Kriegsjahr 2022 nähert sich seinem Ende – ein Ende des Krieges ist jedoch nicht in Sicht. Die Zerstörung der Ukraine und des jüdischen Lebens geht weiter.

Der Autor ist Historiker und lebt in Düsseldorf.

Kommentar

Shiri, mein Herz bricht für dich

Sarah Cohen-Fantl will nicht verzeihen, dass Shiri, Kfir und Ariel Bibas nicht gerettet wurden

von Sarah Cohen-Fantl  21.02.2025

Katrin Richter

Demokratie statt Lethargie

Wer nicht wählt, muss mit dem leben, was dann dabei herauskommt

von Katrin Richter  21.02.2025

Igor Mitchnik

Europa muss sich hinter die Ukraine stellen

Trump denkt nicht transatlantisch, sondern transaktional

von Igor Mitchnik  20.02.2025

Meinung

Kennen Sie Abed Hassan?

Vieles, was der Berliner sagt, ist bedenklich nah dran an Hamas-Propaganda.

von Susanne Stephan  19.02.2025

Glosse

Ein Hoch auf die Israelkritik

Der »Spiegel« hat mit dem indischen Essayisten Pankaj Mishra ein »erhellendes« Interview zum Nahostkonflikt geführt

von Michael Thaidigsmann  18.02.2025

Meinung

Wie das Ende eines Alptraums, der fünf Jahre gedauert hätte

Alon Ishay ist erleichtert, dass die Koalitionsgespräche der FPÖ vorerst gescheitert sind

von Alon Ishay  17.02.2025

Meinung

Was »Sensibilität« bei der Berlinale bedeutet

Das Film-Festival hat eigens FAQ zum Nahostkonflikt veröffentlicht und distanziert sich darin gleich von der Antisemitismus-Resolution des Bundestages

von Maria Ossowski  20.02.2025 Aktualisiert

Einspruch!

Holt sie aus der Hölle raus

Sabine Brandes fordert, alles dafür zu tun, um auch die letzten verbliebenen Geiseln zu retten

von Sabine Brandes  13.02.2025

Meinung

Kanye West und der grassierende Antisemitismus in den USA

Die neuesten judenfeindlichen Eskapaden des Rapstars sind symptomatisch für eine bedrohliche Diskursverschiebung, die von Donald Trump und Elon Musk befeuert wird

von Ruben Gerczikow  10.02.2025