Als Putins Truppen am 24. Februar in die Ukraine einmarschierten, begann eine neue Zeit – für die Ukraine, für Russland, für Europa und die ganze Welt. Für russischsprachige Juden markiert der Krieg eine tiefe Zäsur: Er ruiniert das jüdische Leben und führt zu einem Exodus.
Etliche ukrainische Juden kämpfen an der Front, viele wandern nach Israel aus, andere kommen nach Deutschland.
Obwohl Israel die Ukraine diplomatisch, mit Geheimdienstinformationen und humanitärer Hilfe unterstützt, wird die israelische Position ambivalent wahrgenommen: Aus Kiewer Sicht tut der jüdische Staat zu wenig für die Ukraine – aus Moskauer Sicht tut er zu viel. So verschlechtern sich die russisch-israelischen Beziehungen, wobei der Kreml gerade den Braindrain verhindern möchte. Russlands Propaganda schreckt nicht mehr vor Antisemitismus zurück.
zuwanderer Der Krieg, der in Russland zu einem Kampf gegen die neuen »Nazis« und somit zur Fortsetzung des Zweiten Weltkriegs stilisiert wird, spaltet die jüdische Bevölkerung in Befürworter und Gegner Moskaus. Erbitterte Diskussionen, zerbrochene Beziehungen und Freundschaften gehören längst zum Alltag auch unter jüdischen Zuwanderern in Deutschland.
Der Krieg trifft Schoa-Überlebende. Sie müssen am Ende ihres Lebens aus der Ukraine fliehen, sie leben und sterben unter katastrophalen Bedingungen.
Der Krieg trifft Schoa-Überlebende. Sie müssen am Ende ihres Lebens aus der Ukraine fliehen, sie leben und sterben unter katastrophalen Bedingungen. Der Holocaust wird zu einem politischen Thema, wobei inzwischen überzogene Vergleiche mit dem nationalsozialistischen Judenmord in der Ukraine, in Russland und in Europa weit verbreitet sind.
Der Krieg beschert der Ukraine und der freien Welt einen Helden: Wolodymyr Selenskyj. Seine jüdische Herkunft wird zwar immer häufiger hervorgehoben, und er ist sich seiner Herkunft auch bewusst, doch er hat keine ausgeprägte jüdische Identität.
Das Kriegsjahr 2022 nähert sich seinem Ende – ein Ende des Krieges ist jedoch nicht in Sicht. Die Zerstörung der Ukraine und des jüdischen Lebens geht weiter.
Der Autor ist Historiker und lebt in Düsseldorf.