In Sachen Krisenkommunikation bei Antisemitismusvorfällen hat Peter Limbourg, Intendant der Deutschen Welle (DW), mindestens eine »Zwei plus« verdient. Als aufgrund der Recherchen von »Süddeutscher Zeitung« und »Vice Deutschland« die Hinweise auf Antisemitismus und Israelhass erdrückend wurden, hat man schnell vom Bestreiten der Vorwürfe auf Aufklärung und unabhängige Untersuchungen durch unbestreitbar kompetente und gut beleumundete Personen umgeschaltet.
Diese Woche wurde nun der Untersuchungsbericht zu Antisemitismusvorwürfen bei der DW von Ahmed Mansour und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vorgestellt. Bei der Präsentation des Expertenberichts stand für den Sender im Vordergrund, es gebe bei ihm keinen strukturellen Antisemitismus. So sagt es auch der Report.
entlassung Die Entlassung einer Handvoll Mitarbeiter der arabischen Redaktion und ein Zehn-Punkte-Plan, der als Neuerung lediglich ein »Kompetenzteam« in der Chefredaktion und »Dialogformate« in der MENA-Region enthält, soll den Befreiungsschlag bringen. Ansonsten Kontinuität: Vorhandenes soll »strenger«, »breiter« und höher, aber auch »gestärkt«, »erweitert« und »geschärft« werden.
Nach Neuanfang klingt das alles nicht. Dabei gibt es viele Hinweise auf grundlegende Probleme.
Nach Neuanfang klingt das alles nicht. Dabei gibt es viele Hinweise auf grundlegende Probleme: Das beschriebene Klima, Strukturen und Rekrutierung verursachen Kopfschütteln. Über 390 Millionen Euro erhält der Sender jährlich: von einem »tiefgreifenden strategischen Veränderungsprozess«, einem »global agierenden Medienunternehmen« ist die Rede. Bei dem Versuch, »an Reichweite zu gewinnen«, sagen die Experten, ist »zu wenig Priorität auf die Verkörperung der Werte der DW gelegt worden«. Die Verantwortung hierfür trägt die Spitze, nicht ein aus dem Ruder gelaufener Mitarbeiter.
Allein sechs Seiten des Berichts beschäftigen sich zudem mit »objektiven Unwahrheiten« in der deutschsprachigen Berichterstattung zu Israel, die erst im Dezember korrigiert wurden. Sie waren zuvor durch den Historiker Jörg Gehrke öffentlich gemacht worden. Teilweise jahrelang hielt sie im Haus niemand für korrekturbedürftig. Auch dass man bis heute keine Verständigung auf eine Antisemitismus-Definition hat, zeigt: Es gibt ein Problem fehlender geistiger Führung.
fehlerkultur Wenn der Satz fällt, »Antisemitismus hat keinen Platz bei uns«, werde ich hellhörig. In dieser Affäre fiel er gleich mehrmals: vom Intendanten selbst wie vom DW-Rundfunkratsvorsitzenden. Es zeigt sich, dass er kontrafaktisch ist. Wäre er ohne den Skandal realistischer? Sicher nicht. In einer Gesellschaft, in der 40 Prozent der Bevölkerung Haltungen des israelbezogenen Antisemitismus teilen, kann sich keine größere Organisation vom Antisemitismusproblem pauschal freisprechen. Wer eine Institution gegen die Verbreitung von Antisemitismus wappnen will, muss eine Fehlerkultur der Selbst- und Antisemitismuskritik etablieren.
Das kann alles nur ein Anfang gewesen sein. Jetzt sind Bundesregierung und Bundestag gefragt. Denn »Reichweite ohne angemessene Inhaltsvermittlung« – so der Bericht – »kann keine Strategie der DW sein«.
Der Autor ist Gründer des Tikvah Instituts zur Antisemitismuserforschung.