Noam Petri

Ein ungenügendes Statement

Übernehmen Sie Verantwortung, Geraldine Rauch

von Noam Petri  02.06.2024 13:18 Uhr

Noam Petri Foto: privat

Übernehmen Sie Verantwortung, Geraldine Rauch

von Noam Petri  02.06.2024 13:18 Uhr

Der Antisemitismus an deutschen Universitäten ist kein rein studentisches Problem. Die letzten Wochen zeigen, dass sich antisemitische Studenten – auch diese, mit eindeutiger Hamas-Sympathie – auf eine große Anzahl von Dozenten, Professoren
und sogar Universitätspräsidenten verlassen können.

Anstatt Gewaltaufrufe oder Androhungen und Sympathien für Islamisten als solche anzuerkennen, zu verurteilen und dagegen innerhalb der rechtlichen Möglichkeiten vorzugehen, rief man »zum Dialog« auf.

Das Ausmaß dieser breiten Unterstützung wurde nach der zweiten Besetzung der FU-Berlin eindeutig. Damals besetzten Studenten den Campus, drangen gewaltsam in Hörsäle ein, riefen zu Terror gegen Israel sowie zur Vernichtung von Israel auf und zeigten jüdischen Studenten Hamas-Dreiecke, mit denen die Hamas ihre Tötungsziele markiert.

»Pauschale Verunglimpfung«

Als Reaktion darauf erschien ein offener Brief, der mittlerweile
von über 1000 Hochschulmitarbeitern unterstützt wird. Die Akademiker möchten das »Recht auf friedlichen Protest« – also etwas, was vor Ort nicht stattgefunden hat – verteidigen. Sie verurteilen den Einsatz der Polizei und rufen zum Dialog auf.

Einige Politiker kritisierten diesen offenen Brief. So auch Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger, die dafür – der »pauschalen Verunglimpfung der Unterschreibenden« – wiederum von der TU-Präsidentin kritisiert worden ist.

Interessant ist, dass die Kernpunkte des offenen Briefs kurze Zeit später bei der HU-Besetzung umgesetzt worden sind Als Studenten das Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität mit einer Organisation besetzten, die den 7. Oktober noch am Tag des Massakers als
»revolutionary day to celebrate« gefeiert haben, wurde die Polizei über 24 Stunden daran gehindert, die Besetzung zu beenden.

HU-Präsidentin niedergebrüllt

Trotz des schon während der Besetzung bekannten Ausmaßes der Zerstörung und des Hasses, wie zum Beispiel Graffitis mit Hamas-Dreiecken, Terrorverherrlichung und Androhungen, bat man den
Studenten einen Dialog an. Dieser scheiterte, wie schon die letzten Male, an der fehlenden Bereitschaft seitens der »pro-palästinensischen« Studenten, die wiederum die HU-Präsidentin, ähnlich wie beim ersten Protest wenige Wochen zuvor, niederbrüllten.

Dies wiederum hinderte einige Professoren nicht, sich vor
terrorverherlichenden Besetzer schützend zu stellen und sie heraus zu begleiten. Geräumt wurde das Institut, welches aufgrund der Schäden für Wochen unbenutzbar sein wird, erst aufgrund der Anweisung des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner.

Was war die Reaktion von Prof. Rauch? Sie kritisierte Herrn Wegner.

Gesendetes Signal

Kurze Zeit später stellte sie einen Antisemitismusbeauftragten ohne Ansprache mit jüdischen Studenten oder Organisationen vor. Dieser ist in Vergangenheit durch seine Ablehnung der IHRA Definition, der Relativierung der antisemitischen BDS-Bewegung oder der Vernichtungsparole »From the River to the sea«, aber keiner
klaren Benennung des muslimisch geprägten Antisemitismus aufgefallen.

Übersetzt: Die Formen und Erscheinungsbilder des Antisemitismus an deutschen Universitäten erkennt der neue Antisemitismusbeauftragte nicht als Antisemitismus an. Frau Rauch möchte nach eigenen Angaben ein »Signal an alle TU-Mitglieder, die Hilfe, Unterstützung, Beratung und Rat suchen«, senden. Das hat sie gemacht. Es ist kein gutes.

Der Höhepunkt war die Veröffentlichung von Tweets, die von der TU-Präsidentin «gelikt” wurden. Auch einem Tweet, auf dem Netanjahu mit Hakenkreuzen beschmiert ist, schenkte sie ein Herz. »Das ist ein inakzeptabler Fehler«, heißt es im Statement des Präsidiums der TU. Keiner ihrer Präsidiums-Kollegen findet ein Wort der Entlastung.

»Nicht antisemitisch«

Ihr umstrittener Antisemitismusbeauftragter hält in seinem Statement
alle Tweets, außer der Tweet bezüglich Netanyahu, für nicht antisemitisch.

Was sind die Folgen? Frau Rauch hat sich entschuldigt. Sie war »im Austausch mit Antisemitismusforscher*innen und jüdischen Menschen.« Mit welchen? Das verrät sie nicht. Muss sie theoretisch nicht. Zur Transparenz: Mit der Jüdischen Studierendenunion Deutschland war sie es nicht. Wundern tut es mich nicht.

Schließlich gefiel ihr auch ein Tweet unter unserer Kritik an der Ernennung ihres Antisemitismusbeauftragten, indem es wörtlich hieß: »Schämt euch für die Verleumdung eines klugen Menschen. Schämt euch!«

Veröffentlichung vor Einsicht

Auf der einen Seite wollte Frau Rauch bis zum großen Skandal mit
terrorverherrlichenden Studenten einen Dialog führen. Auf der anderen Seite sollen sich jüdische Studenten nach sachlicher Kritik an ihrer Entscheidung schämen. Wie sollen sich jüdische Studenten so sicher fühlen?

Hält Prof. Rauch weiterhin an ihrem umstrittenen Antisemitismusbeauftragten trotz großer Kritik jüdischer Organisationen
und der jüdischen Studentenvertretung fest? Was sind die Konsequenzen für sie nach ihrem »inakzeptablen Fehler«? Wieso hat es erst eine Veröffentlichung der Likes gebraucht, damit irgendeine Einsicht eintritt?

»Gerade in Zeiten, in denen Antisemitismus in unserem Land wächst, ist es uns wichtig, Verantwortung zu übernehmen«, sagte Frau Rauch bezüglich der Benennung ihres umstrittenen Antisemitismusbeauftragten. Der Vorstand der Jüdischen Studierendenunion Deutschland stimmt dem zu. Übernehmen Sie
Verantwortung und ziehen Sie endlich Konsequenzen!

Meinung

Düsseldorfs braunes Erbe

Beim Gedenken muss die Stadt konsequent sein

von Oded Horowitz  12.01.2025

Meinung

Tiefpunkt für die Pressefreiheit

An der besetzten Alice Salomon Hochschule versuchte die Rektorin zusammen mit israelfeindlichen Aktivisten, die journalistische Berichterstattung zu verhindern

von Jörg Reichel  10.01.2025

Meinung

Hitler ein Linker? Der »Vogelschiss«-Moment der Alice Weidel

Mir ihren Aussagen zu Adolf Hitler im Gespräch mit Elon Musk hat die AfD-Chefin erneut ihre Inkompetenz bewiesen

von Michael Thaidigsmann  10.01.2025

Meinung

Wo Extremisten keine Gegenwehr fürchten müssen

In Berlin wurde die Alice Salomon Hochschule von Hamas-Sympathisanten besetzt. Erneut setzen weder die Studierendenschaft noch das Präsidium der Terrorverherrlichung etwas entgegen

von Noam Petri  08.01.2025

Meinung

Der Neofaschist Herbert Kickl ist eine Gefahr für Österreich

In der FPÖ jagt ein antisemitischer »Einzelfall« den anderen, ihr Obmann will die liberale Demokratie abschaffen und könnte schon bald Kanzler sein

von Bini Guttmann  08.01.2025

Sebastian Leber

Treitschke ist nicht »umstritten«

Die CDU in Berlin-Steglitz weigert sich, den eindeutigen Antisemitismus des Historikers anzuerkennen – und macht sich damit im Streit um einen Straßennamen unglaubwürdig

von Sebastian Leber  07.01.2025

Volker Beck

Christoph Heusgen: Ein außenpolitischer Bruchpilot

Die Kritik des Spitzendiplomaten an Israel ist niederträchtig – und seine eigene politische Bilanz verheerend

von Volker Beck  02.01.2025

Mascha Malburg

Wer jüdisches Leben wirklich schützt

Manche jüdische Einrichtungen setzen neben dem Polizeischutz auf eigenes Sicherheitspersonal – und das ist auch gut so

von Mascha Malburg  02.01.2025

Sabine Brandes

Frieden einfordern

Unsere Israel-Korrespondentin Sabine Brandes ist davon überzeugt, dass ein Naher Osten ohne Blutvergießen kein Traum bleiben muss

von Sabine Brandes  01.01.2025