Mit 62 Prozent Zustimmung hat das Europäische Parlament ein 17-seitiges Traktat voller Widersprüche zum Verhältnis der Europäischen Union zur »Palästinensischen Behörde« verabschiedet. Das inhaltliche Durcheinander des Beschlusses beweist, dass die EU-Politik gegenüber Israel mehr mit politischer Identitätsbildung, also populistischer Innenpolitik, als mit rationaler Außenpolitik zu tun hat.
Zentraler Streitpunkt im Vorfeld des Beschlusses war die Haltung des Parlamentes zum Verfahren gegen Israel beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH). Die entsprechende Passage wurde zwar rhetorisch etwas verdünnt, im Kern blieb es jedoch bei der Forderung, »die Ermittlungen und die Strafverfolgung« durch den IStGH wegen »Kriegsverbrechen« in den »besetzten palästinensischen Gebieten« voranzutreiben.
Rechtsstaat Israel ist kein Vertragsstaat des Gerichtshofes und eigentlich ruft man diesen nur an, wenn ein Land Verbrechen nicht selbst ahndet. Das ist bei Israel aber nicht der Fall: Israels Rechtsstaat ist zwar sicher nicht perfekt - die unabhängige israelische Justiz hat jedoch bei Verdachtsfällen von Rechtsverletzungen durch Militär und Sicherheitskräfte immer wieder ermittelt, angeklagt und, wo nötig, entsprechend geurteilt. Der Oberste Gerichtshof Israels hat dabei auch zugunsten palästinensischer Kläger entschieden. Die Anrufung eines internationalen Tribunals ist also absolut unverhältnismäßig und stellt einen weiteren Baustein einer internationalen Kampagne gegen Israel dar. Man versteht dieses Manöver des Europäischen Parlaments nur, wenn man sich an Léon Poliakovs Diktum erinnert: »Israel ist der Jude unter den Staaten«.
Gerade jetzt ist dieser Angriff auf Israels Justiz aus Europa unverantwortlich und unsolidarisch.
Gerade jetzt, wo die unabhängige Justizvon der Regierungskoalition in Jerusalem infrage gestellt wird, ist dieser Angriff des EU-Parlaments auf Israels Judikative unverantwortlich und unsolidarisch gegenüber der israelischen Bewegung zur Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit: Viele Soldaten und Offiziere, die sich auf Israels Straßen den Regierungsplänen für eine Justizreform entgegenstellen, betonen, dass die Unabhängigkeit der israelischen Justiz sie vor Willkür im Ausland schützt.
Lackmustest An anderer Stelle erhält der Text aber auch Positives, zum Beispiel zum antisemitischen Hass in palästinensischen Schulbüchern. Ebenso wird gefordert, dass EU-Mittel weder direkt noch indirekt terroristische Organisationen unterstützen dürfen oder zum Schüren von Hass und Gewalt gegen Jüdinnen und Juden genutzt werden. Der Lackmustest steht also unmittelbar bevor: Wird die Familie des Attentäters vom 4. Juli, der in Tel Aviv acht Menschen verletzte, eine »Terroristenrente« beziehen? Vermutlich. Wird es Konsequenzen haben? Vermutlich nicht.
Denn gleichzeitig fordert das Parlament, die Einstufung von sechs palästinensischen Nichtregierungsorganisationen durch Israel als terroristisch zurückzunehmen, und die Etats der Palästinensischen Autonomiebehörde ohne Vorbedingung aufzustocken. Mit solch inkonsistenten Texten wird die EU keine konstruktive Rolle im arabisch-israelischen Konflikt einnehmen. Doch ein paar Abgeordneten ist billiger Applaus zu Hause gewiss.
Der Autor ist Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.