Charlotte Knobloch erinnerte am 27. Januar in der Gedenkstunde des Deutschen Bundestages mit einer ebenso ergreifenden wie erschütternden Rede an die Grauen der Schoa und des NS-Terrors. Als Zeitzeugin hat sie eindringlich aufgezeigt: Die Vergangenheit reicht immer auch ins Jetzt. Unser Land kann und darf seine Geschichte nicht abhaken oder abstreifen.
Denn Antisemitismus und Judenhass waren und sind aus Deutschland nie verschwunden. Weder handelt es sich um »neue« Probleme noch um solche »der anderen«. Sie sind gegenwärtig, alltäglich, vielschichtig – mitten in der Gesellschaft und an ihren extremistischen Rändern, links wie rechts.
verschwörungsideologien »Nie wieder!« sagt sich leicht. Wahr ist: Wir müssen es uns jeden Tag neu demokratisch erkämpfen. Abstruseste, mittelalterlich anmutende Verschwörungsideologien wirken in einer vermeintlich aufgeklärten Gesellschaft im 21. Jahrhundert anachronistisch. Doch sie werden heute millionenfach verbreitet und geglaubt.
Wie leicht Verschwörungsideologien in mörderischen Hass und Vernichtungsideologien münden können, zeigt uns unsere eigene Geschichte. Deswegen darf es auch bezüglich der aktuellen alarmierenden Entwicklungen keinerlei Gleichgültigkeit geben.
Gemeinschaft leben heißt, aktiv Verantwortung zu übernehmen. Daher braucht es endlich effektive Unterstützungsmaßnahmen.
Wir brauchen einen wachen, entschlossenen, wehrhaften Rechtsstaat, tiefe und aufrichtige Solidarität sowie gezielte politische Maßnahmen zur Stärkung und Sichtbarmachung jüdischen Lebens in Deutschland und Europa. Es muss scharfe strafrechtliche Konsequenzen und eine gesellschaftliche Null-Toleranz-Strategie gegen Antisemitismus geben, ob wir ihm auf Schulhöfen oder auf Facebook, bei Hasspredigern, im politischen Raum oder auf einer Familienfeier begegnen.
lücke Dazu gehört auch: Umfassend und ohne Lücke muss der Schutz jüdischer Einrichtungen sichergestellt werden. Gerade hier darf sich die Bundesregierung nicht einfach mit einem Pauschalverweis auf Länderzuständigkeiten aus der Verantwortung ziehen. Die Einrichtungen selbst und die jeweiligen Kommunen dürfen mit dem Schutz nicht alleingelassen werden!
Denn Gemeinschaft leben heißt, aktiv Verantwortung zu übernehmen. Daher braucht es endlich effektive Unterstützungsmaßnahmen und ein schlüssiges Gesamtkonzept, eine bundesweite Koordination, die Sicherstellung und intensive Evaluation von Schutzmaßnahmen – wo immer sie gebraucht und gewünscht werden.
Der Autor ist Stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen.