Der Schweizer Ferienort Davos kommt nicht aus den negativen Schlagzeilen. Erst im Spätsommer fiel der Tourismusdirektor mit pauschalen Aussagen gegenüber Juden auf. Vor einigen Tagen kam es zur nächsten Eskalationsstufe. Der Betreiber eines Bergrestaurants verwehrte es Juden, Sportgeräte auszuleihen. Er begründete dies mit der schlechten Erfahrung, die er mit einigen jüdischen Gästen gemacht habe.
Offenbar war er sich dabei nicht der Tragweite seiner Worte bewusst, aus denen eine ungeheuerliche Diskriminierung spricht. Der Gedanke, dass mitten in Europa im 21. Jahrhundert bestimmten Menschen Dienstleistungen verwehrt werden, nur weil sie jüdisch sind, ist unerträglich.
Viele fragen sich, ob Davos ein Antisemitismus-Problem hat. Eine pauschale Antwort wäre genauso falsch. Denn auch wir dürfen nicht vom diskriminierenden Verhalten Einzelner auf die ganze Bevölkerung schließen. In Davos gibt es Menschen, die jüdische Touristen willkommen heißen, ihnen freundlich begegnen, Menschen, die nicht diskriminieren und keine Vorurteile gegenüber Juden hegen. Ohne es genau zu wissen: Diese Leute sind sicher in der Mehrheit.
Aber die Mehrheit ist noch leise, zu leise. Es ist an der Zeit, dass diese Menschen ihr Schweigen brechen und den Ruf ihrer Stadt verteidigen. Eine laute Minderheit bringt ihre Stadt in Verruf. Diese Minderheit meint vermutlich, sie könne ganze Bevölkerungsgruppen vertreiben. Mit dieser Ansicht schadet sie allen anderen. Sie schadet vor allem aber sich selbst.
Nach der jüngsten Eskalationsstufe ist es an der Zeit für ein klares Bekenntnis für ein weltoffenes Davos. Es braucht einen anderen, unverkrampften Umgang mit jüdischen Gästen, vor allem aber braucht es den Willen für konstruktive Lösungen, bei Offiziellen und der Bevölkerung. Denn: Die jüdischen Gäste werden nicht einfach verschwinden. Besser, die Ewiggestrigen akzeptieren das, bevor die schweigende Mehrheit ihre Stimme wiederfinden muss.
Jonathan Kreutner ist Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes SIG mit Sitz in Zürich.