Eigentlich soll sie erst 2027 stattfinden – doch schon jetzt wankt die documenta 16. Zwei ihrer sechs Mitglieder haben die Findungskommission, die eine künstlerische Leitung für die Kasseler Großausstellung bestimmen soll, schon jetzt verlassen. Die an ihren Israel- und Judenhass-Skandalen gescheiterte documenta fifteen wirft offensichtlich weiter lange Schatten. Aber seit dem terroristischen Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober hat sich die Lage noch einmal verschärft. Große Teile der Kunstwelt schweigen zu den bestialischen Massakern an israelischen Zivilisten oder ergreifen öffentlich Partei für die Palästinenser, ohne die Hamas zu erwähnen. Diese Zuspitzung des antizionistischen Furors ist keine Überraschung. Seit Jahren hängt der progressive Kunstbetrieb einer toxischen Mischung aus falsch verstandener Politisierung und unreflektierter Übernahme postkolonialer Slogans nach.
Die Kunst, die man in vielen Galerien und Gegenwartsmuseen zu sehen bekommt, möchte ihre Betrachter über politische Sachverhalte belehren. Artefakte sollen dokumentarisch recherchierte Fakten über Ungerechtigkeiten präsentieren. Einige Künstler sehen in ihren Werken sogar valide Beweismittel für vermeintliche Kriegsverbrechen. Dass Kunst immer auch Momente von Unschärfe, Täuschung und Mehrdeutigkeit zulassen muss, scheinen die zeitgenössischen Kunstideologen unterdessen als Überbleibsel einer eurozentrischen, sprich »weißen« Ästhetik zu ignorieren. Im Fokus dieser Kunst steht oft Israel – das wohl wichtigste Feindbild der postkolonialen Theoretiker und ihrer Apologeten aus der Szene. Gewiss, die documenta fifteen hat diesen Israelhass keinesfalls erfunden. Durch ihre Vulgarität hat sie ihn nur bloßgelegt. Solange die avancierte Kunstwelt sich nicht von ihrer Fixierung auf eine von antiwestlichen Narrativen durchsetzte, pseudoobjektive Ästhetik löst, wird das israelfeindliche Elend weiterhin die Ausstellungshäuser füllen.
Der Autor ist Publizist und lebt in Frankfurt.