Günter Jek

Diffuse Angst vor dem Abstieg

Inflation und steigende Energiepreise treffen nicht alle Bevölkerungsteile gleich. Es bedarf daher passgenauer politischer Eingriffe

von Günter Jek  08.09.2022 08:48 Uhr

Günter Jek Foto: Gregor Zielke

Inflation und steigende Energiepreise treffen nicht alle Bevölkerungsteile gleich. Es bedarf daher passgenauer politischer Eingriffe

von Günter Jek  08.09.2022 08:48 Uhr

In den Supermärkten werden Lebensmittel mit Diebstahlsicherung versehen. An Brandenburgs Landstraßen stehen Menschen mit russischen Fahnen und AfD-blauen Transparenten, auf denen neben Frieden und (Impf-)Freiheit nun auch ein Ende der Preissteigerungen gefordert wird. Die regierende Ampelkoalition kündigt bereits das dritte Entlastungspaket an. Die breite Verunsicherung der Bevölkerung einer der reichsten Industrienationen der Welt ist deutlich spürbar, eine diffuse Angst vor dem Abstieg wird allgegenwärtig.

Einkommensschwache und arme Haushalte haben keine Reserven, um Preissteigerungen zu begegnen.

Für große Teile der Bevölkerung ist diese Angst sehr berechtigt und real begründet. Der Inflationsschub begann mit der Verteuerung der Energie um aktuell 36 Prozent gegenüber dem Vorjahr, es folgten Lebensmittel mit einem Plus von 15 Prozent. Wohnkosten werden in der Folge ebenso steigen wie die für Dienstleistungen. Die Krise trifft nicht alle Bevölkerungsteile gleich. Während Einkommensstärkere ihren Konsum weiter aufrechterhalten und Preissteigerungen über geringeres Sparen abfedern, haben einkommensschwache und arme Haushalte bereits seit Längerem keine Reserven, um Preissteigerungen zu begegnen. Wer dies außer Acht lässt, bietet antidemokratischen Parteien mit populistischen Scheinlösungen ein breites Einfallstor zur Spaltung unserer Gesellschaft.

Es bedarf passgenauer politischer Eingriffe statt zeitlich knapp befristeter oder breit gestreuter Maßnahmen. Eine angemessene und sanktionsfreie Grundsicherung, ein Moratorium für Strom- und Gassperren und eine Gegenfinanzierung von Entlastungen durch die Abschöpfung krisenbedingter Gewinne wären wichtige und nachhaltige Schritte zu mehr ausgleichender Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Solidarität. Um zu verhindern, dass aus einer wirtschaftlichen Krise eine Krise der Demokratie erwächst, eignen sich die unlängst vorgestellten Beschlüsse zum Bürgergeld keinesfalls.

Der Autor ist Leiter des Berliner Büros der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST).

Meinung

Der Internationale Strafgerichtshof und die Kampagne gegen Israel

Bei den Haftbefehlen gegen Netanjahu und Gallant geht es um Politik und nicht um Recht

von Volker Beck  21.11.2024

Meinung

Maria und Jesus waren keine Palästinenser. Sie waren Juden

Gegen den Netflix-Spielfilm »Mary« läuft eine neue Boykottkampagne

von Jacques Abramowicz  20.11.2024

Meinung

Jung, jüdisch, widerständig

Seit dem 7. Oktober 2023 müssen sich junge Jüdinnen und Juden gegen eine Welle des Antisemitismus verteidigen

von Joshua Schultheis  20.11.2024

Medien

Ausweitung der Kampfzone

Die israelfeindlichen Täter haben die »NZZ« ganz bewusst zum Abschuss freigegeben. Ein Kommentar

von Nicole Dreyfus  19.11.2024

Nicole Dreyfus

Die UNRWA kann auf Zürich zählen

Die Regierung zahlt 380.000 Franken an das mit dem Hamas-Terror verbundene Palästinenserhilfswerk

von Nicole Dreyfus  15.11.2024

Michael Thaidigsmann

Borrells letztes Gefecht

Der scheidende EU-Außenbeauftragte fordert die Aussetzung des Assoziierungsabkommens der EU mit Israel. Damit dürfte er kläglich scheitern

von Michael Thaidigsmann  14.11.2024

Tobias Kühn

Wagenknechts rotbrauner Humus

Der israelbezogene und anti-imperialistische Antisemitismus ist Teil der Identität des BSW

von Tobias Kühn  14.11.2024

Sabine Brandes

Für einen Libanon ohne die Hisbollah

Es ist an der Zeit, dass die Libanesen Nein zum Einfluss einer Terrororganisation auf ihr Leben sagen

von Sabine Brandes  14.11.2024

Meinung

Patrick Bahners und die »Vorgeschichte« zu den Hetzjagden in Amsterdam

Daniel Schwammenthal über das Pogrom von Amsterdam und seine Bagatellisierung durch deutsche Journalisten

von Daniel Schwammenthal  13.11.2024