Über die Thesen des Historikers Benny Morris wurde in Israel und über das Land hinaus seit jeher beherzt gestritten. Am 5. Dezember hätte sich hierzu auch die Gelegenheit an der Universität Leipzig ergeben, wo ein Vortrag Morris‹ unter dem Titel »The 1948 War and Jihad« geplant war. Zu der Veranstaltung wird es nun nicht kommen.
Die verantwortliche Fakultät hat den Vortrag des renommierten Forschers abgesagt, nachdem BDS-nahe studentische Gruppen gegen den Vortrag mobilisiert hatten. Äußerungen Morris, die »rassistisch gelesen werden könnten« haben die Universität zu dem Schritt bewogen, so die Begründung.
Verwiesen wird auf ein 20 Jahre altes Interview in der israelischen Tageszeitung »Haaretz«, in dem Morris vor dem Hintergrund der Ereignisse der Zweiten Intifada sehr deutliche Worte findet: Die Vertreibung von Palästinensern im Zuge des Unabhängigkeitskrieges 1947/48 sei Voraussetzung für die Gründung Israels und angesichts der existenziellen Bedrohung für den jungen Staat auch gerechtfertigt gewesen.
In Deutschland gilt die Wissenschaftsfreiheit ohne Wenn und Aber. Die Universität Leipzig muss ihr Geltung verschaffen.
Man mag seine Analyse im Lichte heutiger Diskussionen wenig sensibel erachten, mancher wird sie strikt ablehnen. Ihr realpolitischer Befund und seine Folgerungen aber sollten zur Diskussion stehen dürfen. Zu dieser wird es nun nicht kommen. Morris bleibt gecancelt.
Als weiteren zentralen Grund für die Absage gibt die Uni Leipzig Sicherheitsbedenken in Bezug auf die Veranstaltung an. Der Schutz für den Vortragenden wie für Besucher sei nicht zu gewährleisten, das Risiko »traumatischer Erfahrungen« sei zu hoch. Das aber ist – mit Verlaub – eine feige Ausflucht der Verantwortlichen.
In Deutschland gilt die Wissenschaftsfreiheit ohne Wenn und Aber. Zur Verantwortung der Leipziger Universität gehört es, ihr Geltung zu verschaffen, im Zweifelsfall in enger Abstimmung mit Polizei und Behörden. Wer vor BDS und seinen Anhängern kuscht, legitimiert nur deren fanatische Erpresserlogik. Wenn akademische Vertreter dieser Strategie in Zukunft nicht entschieden entgegentreten, droht die Causa Morris auf unglückselige Weise Schule zu machen.
Der Autor ist freier Journalist in München.