Der Blick auf die politisch blau eingefärbten Flächen im Osten der Republik enthält eine deutliche Warnung. Und zwar nicht in erster Linie vor der AfD. Vielmehr offenbart er gesellschaftliche Verwerfungen und Risse. Aufgeplatzt schon lange Zeit, bevor es die AfD überhaupt gab, sind sie jetzt für jedermann sichtbar. Damit aus diesen Rissen keine Spaltung des Landes wird, bedarf es mehr als billiger Empörung über Demokratieverächter.
GEMENGELAGE Die in Teilen rechtsradikale AfD ist nämlich nur Symptom für eine problematische Gemengelage. Zwar ist es wichtig, immer wieder das Wesen der AfD auszuleuchten, ihre Verbindungen ins völkische Lager und ihr Streben nach einem Systemwechsel – auch wenn das den meisten AfD-Wählern egal ist. Vorrangig muss aber sein, die Probleme anzugehen, die hinter den Wahlergebnissen liegen: die starken Zweifel an der Demokratie, das gesunkene Vertrauen in den Staat, die EU-Skepsis, Ängste vor Globalisierung, Identitätsverlust, sozialem Abstieg und einer unsicheren Zukunft. Daran müssen alle arbeiten, denen an der Demokratie gelegen ist, und um die drohende Spaltung abzuwenden.
Hinter den Wahlergebnissen liegen starke Zweifel an der Demokratie und gesunkenes Vertrauen in den Staat.
Das aber wird nicht gelingen, wenn sich die Wohlmeinenden stets gegenseitig versichern, auf der richtigen Seite zu stehen, während sich diejenigen, die sich auf der anderen Seite wähnen, in ihrer Blase noch weiter entfernen. Und zwar angetrieben von einer AfD, deren Geschäftsmodell die Polarisierung ist. Sie gibt denen eine Stimme, die sich von der ihnen fremden Berliner Republik nicht gehört fühlen. Das tut sie nicht nur in Sachsen, Brandenburg und Thüringen (hier wird am 29. Oktober gewählt), sondern auch im Westen. Etwa dort, wo der industrielle Wandel gesellschaftliche Risse offenbart oder das soziale Stadt-Land-Gefälle besonders steil ist.
EINIGKEIT Es geht um den Zusammenhalt, um die Besinnung auf das, was Deutschland eint, und nicht auf das, was die Menschen trennt. Es geht nicht gegen einzelne Personen oder gegen eine Partei, sondern es geht für etwas: für Einigkeit und Recht und Freiheit in einem demokratischen Land.
Der Autor ist freier Journalist in Berlin. Am 3. Oktober läuft in der ARD seine TV-Doku »Kampf ums Land – Steinmeiers Ringen um Zusammenhalt« (mit Torsten Mandalka).