Zwei Dinge kann die Sozialdemokratische Partei (SP) der Schweiz äußerst gut: erstens Resolutionen verabschieden, zweitens sich schwertun, wenn es um Israel geht. Kaum eine andere Partei in der Schweiz treibt der Nahostkrieg so um wie die SP. All das fand seinen Kulminationspunkt auf dem Parteitag in Davos. Da beschloss die SP gleich zwei Resolutionen, die Israel in die Pflicht nehmen.
So wird umgehend ein sofortiger Waffenstillstand in Gaza gefordert (»Alle Parteien müssen ihre Waffen sofort niederlegen«) und bekräftigt, dass »jede militärische Zusammenarbeit und jeden Kriegsmaterialhandel mit sämtlichen beteiligten Staaten in der Region« einzustellen seien. Die Zusatzresolution, eingereicht vom Genfer SP-Ständerat Carlo Sommaruga, geht noch einen Schritt weiter und fordert – nur für Israel – ein Waffenembargo.
Doch damit unterwandert sich die Partei in ihrer Argumentation selbst. Ein Staat, dessen Existenzrecht vorausgesetzt sei (das bekräftigt die SP in ihrer Resolution), kann sich nicht verteidigen, wenn ihm dafür keine Waffen zur Verfügung stehen. Dass terroristische Gruppierungen wie die Hamas und die Hisbollah ebenfalls Waffen beziehen, darüber schwiegen sich die Verfasser der Resolutionen aus.
Die Schweizer Linke redet um den heißen Brei in Sachen Israel und Nahostpolitik.
Passend zur Partei, die ohrenbetäubend still war, als vor eineinhalb Wochen publik wurde, dass die Jungsozialisten der Schweiz (Juso) die politische Bewegung »Boycott, Divestment and Sanctions« (BDS) unterstützt. Diese fordert zum Boykott gegen israelische Güter und Dienstleistungen auf. Viele Staaten, darunter auch Deutschland, stufen die Bewegung offiziell als antisemitisch ein, die Schweiz jedoch nicht. Die SP-Spitze, normalerweise sich nicht zu schade, im öffentlichen Diskurs Stellung zu nehmen, hüllte sich auch hier in Schweigen.
Ungleiche Partner
Typisch schweizerisch neutral oder einfach nur zu feige, das Kind beim Namen zu nennen? Diese beiden israelkritischen Resolutionen machen deutlich, was hinter vorgehaltener Hand schon lange gesagt wird: Die Schweizer Linke redet um den heißen Brei in Sachen Israel und Nahostpolitik. Man verbiegt sich beziehungsweise ist sichtlich bemüht, einen Mittelweg zu finden, indem man immer gleichermaßen beide Kriegsparteien verurteilt.
Dabei geht vergessen, dass es sich bei der einen Kriegspartei um Terroristen handelt. Man kann es nicht genug oft betonen: Terrorgruppierungen sind keine Gesprächspartner auf diplomatischer Ebene. Sie werden sich nicht an einen Tisch setzen und Waffenstillstandsverhandlungen zustimmen.
Da helfen parteiinterne Resolutionen genauso wenig wie die SP-Forderung, die Schweizer Regierung habe sich öffentlich dazu zu verpflichten, die Haftbefehle des Internationales Strafgerichtshofs gegen Benjamin Netanjahu und Yoav Gallant wie auch gegen Hamas-Führer Yahya Sinwar durchzusetzen. Sinwar, mittlerweile tot, war ein Terrorist, Netanjahu – ist man noch so gegen ihn und seine rechte Politik – nicht.
Internes Problem
Je eingehender man sich mit den beiden SP-Resolutionen befasst, desto mehr Widersprüche werden deutlich. So verlangt die SP außerdem, dass die Schweizer Außenpolitik alles zu unternehmen habe, »um die UNRWA als Hauptträgerin des Multilateralismus in der Region vor ungerechtfertigten Angriffen zu schützen und deren nachhaltige Finanzierung sicherzustellen«. Dass die UNRWA ein undurchsichtiges Netzwerk mit kollaboristischen Tendenzen ist, ist kein Geheimnis mehr. Die Nähe des Palästinenserhilfswerks zur Hamas lässt sich nicht mehr verleugnen.
Man überlässt radikalen Positionen den Vortritt, in dem man sie verschweigt.
Warum also dieser rhetorische Seilakt einer Partei wie der SP? Sind es interne Grabenkämpfe, die zu diesen seltsamen Blüten treiben? Stecken die Jusos dahinter? Offiziell hat die SP kein Antisemitismusproblem. Man gibt sich antirassistisch, bekennt sich offiziell klar gegen jede Form von Antisemitismus und Diskriminierung. Die SP setzt sich auch auf verschiedenen Ebenen aktiv für den Schutz von Minderheiten und gegen rassistische Ideologien ein. Sie hat vor einigen Jahren eine Resolution gegen Antisemitismus verfasst und die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) angenommen.
Trotzdem hat die Partei offensichtlich ein Problem, und zwar ein inneres: Man überlässt radikalen Positionen den Vortritt, in dem man sie verschweigt. Das schadet nicht nur der Partei, sondern auch der Schweizer Außenpolitik.
Außerdem täte sich vor allem der französischsprachige Flügel der Partei gut darin, sich mehr Geschichtsbewusstsein anzueignen. Es war wohl kein Zufall, dass viele Vorstöße, die sich in irgendeiner Weise gegen Israel richten, aus der radikaleren Ecke der französischen Schweiz stammen. Vielleicht liegt es an der Verhaltenheit der Deutschschweizer, möglicherweise aber auch an der historischen Verantwortung, die die SP bis heute trägt.