Irgendwann reicht es. Immer wieder führen wir Diskussionen über misslungene Überschriften von Artikeln, fehlende Informationen oder gar einseitige Darstellungen, wenn es um Israel und den Konflikt mit den Palästinensern geht. Dieses Mal steht ein bekannter Newsletter in der Kritik.
Medien bilden in unserer Demokratie eine tragende Säule. Sie sollen Zeitgeschehen kritisch begleiten und uns Leserinnen und Leser informieren. Auf Grundlage sachlicher und ausgewogener Berichterstattungen können wir uns eine eigene Meinung bilden, uns an Meinungsartikeln reiben und so eigene Ansichten hinterfragen oder bestätigen. Entsprechend ist es eine journalistische Gepflogenheit, Meinungsäußerungen klar zu kennzeichnen, um Information und Meinung voneinander zu trennen.
Dies sollte nicht nur für traditionelle Print-, sondern auch für neue digitale Nachrichtenmedien gelten. Insbesondere Newsletter-Formate sind im politischen Berlin und darüber hinaus hoch im Kurs. Morgens, mittags und abends füllen sie unsere Postfächer. Oftmals werden sie mit einem hohen Qualitätsanspruch beworben und sind von journalistischer Frische geprägt. So begeistern sie schnell eine große Leserschaft. Mal sind sie aufbereitet mit einer wohl kuratierten Sammlung von weiterführenden Links auf eigene und fremde Beiträge, mal mit einer bunten Auswahl an eigens kreierten Grafiken und aufwendigen Hintergrundrecherchen.
Dazu zählt auch The Pioneer. Mit seinem »Morning Briefing« vom 14. Februar holt das Medium jedoch weit aus und bezichtigt den Staat Israel, einen vermeintlichen »Vernichtungsfeldzug gegen die Palästinenser« zu führen. Dr. Tobias Linder, Staatsminister im Auswärtigen Amt, zog die Fakten am selben Tag auf einer von WELT und Jerusalem Post in Berlin ausgerichteten Konferenz glatt: »Es ist kristallklar: Israel kämpft gegen die Hamas, nicht gegen die Palästinenser.«
Doch damit nicht genug. Im selben Newsletter wurde der Besuch des CDU-Parteichefs in Israel damit kommentiert, dass er auf der falschen Seite der Geschichte stünde. Paul Ronzheimer, stellvertretender Chefredakteur bei BILD, nahm sich den ungewöhnlichen Anschuldigungen an den Oppositionsführer im Deutschen Bundestag direkt und sehr deutlich an. Er schrieb auf X (früher Twitter): »Auf der falschen Seite der Gegenwartsgeschichte soll Friedrich Merz stehen, weil er an der Seite Israels steht. Auf welcher Seite steht denn dann der Autor?«
Wir schenken diesen neuen Medien Glauben, insbesondere wenn dahinter bekannte, einflussreiche und renommierte Personen stehen. Umso schwerer wiegt die Verantwortung der Medienmacher. Wenn dann Newsletter und Podcasts immer häufiger Informationen mit Meinungen kombinieren, statt Fakten und Einordnungen zu präsentieren, wie der Titel »Briefing« erwarten lässt, grenzt es an Stimmungsmache. In ohnehin schon polarisierten Zeiten ist dies gefährlich, beinahe fahrlässig.
Es ist leider nicht das erste Mal, dass der The Pioneer Newsletter über das Ziel hinausschießt. »2 Tage nach dem schlimmsten antijüdischen Massaker seit dem Holocaust warnt Gabor Steingart vor Übertreibungen (!), unterstellte Journalisten »Gruselkunst« ohne »historischen Kontext«.« So berichtete es der stellvertretende BILD-Politikchef Filipp Piatov ebenfalls auf der Social Media Plattform X.
Mitte November 2023 irritierte ein Pioneer-Gespräch zwischen Gabor Steingart und Florence Gaub. Die Forschungsdirektorin der NATO-Militärakademie in Rom bemühte sich, die Verhältnismäßigkeit militärischer Operationen Israels und den Einklang mit dem Kriegsrecht in Frage zu stellen. Dabei blieben jedoch dabei die Völkerrechtsverletzungen der Hamas mit Blick auf Geiselnahmen und menschliche Schutzschilde unerwähnt, was in diesem Kontext nicht außer Acht gelassen werden darf. Schließlich wurde Israel in diesem Podcast dafür verantwortlich gemacht, dass es keinen palästinensischen Staat geben würde – ohne dabei zu erwähnen, wie eigentlich die palästinensische Führung zum Thema Friedensverhandlungen steht. Das Fehlen eines legitimierten Verhandlungspartners auf palästinensischer Seite wurde gleich völlig unterschlagen. Man kann ein Interview so veröffentlichen, wenn man Stimmung in eine bestimmte Richtung machen will.
Dies scheint mittlerweile Methode, blickt man ins Pioneer »Morning Briefing« vom 16. Februar. Bei einer Aufzählung von fünf zentralen Gründen für die aktuelle Situation in Israel sowie im Gazastreifen wird nicht etwa die Hamas als erstes genannt, obwohl verantwortlich für über 1.200 brutale Morde am 7. Oktober 2023, die Entführung von mehr als 240 Menschen sowie den darauffolgenden Krieg. Die Terrororganisation ist laut The Pioneer nur Grund Nummer vier. Zuvor werden der israelische Ministerpräsident, der US-Präsident sowie der deutsche Bundeskanzler aufgeführt. Diese Liste sowie ihre Begründungen sind gleich mehrfach irritierend.
Dabei wäre es so einfach, die Situation für alle Menschen vor Ort zu verbessern, wie auch Außenministerin Baerbock im Rahmen ihrer jüngsten Reise nach Israel feststellte: »Der Terror der Hamas hat nichts als Tod und Leid nach Gaza gebracht. Hätten die Hamas-Terroristen auch nur ein bisschen Mitleid mit den palästinensischen Frauen, Männern und Kindern, die unter den Kämpfen leiden, würden sie sofort ihre Waffen niederlegen.« Mit der gleichzeitigen Rückgabe aller Geiseln könnte der Krieg ein schnelles Ende finden.
Viele weitere Stimmen sprangen der Kritik am völlig entgleisten Morning Briefing des 14. Februar in den Sozialen Medien bei und kritisieren die Entwicklung bei einem der aufstrebenden politischen Newsletter der Bundesrepublik. Man kann nur hoffen, dass es zu einer Kurskorrektur kommt. Für die neuen Nachrichtenmedien gilt, was für alle Medien gelten muss: Kritischer Journalismus ist eine zentrale Grundlage unserer Demokratie. Stimmungsmache ist das Gegenteil.
Der Autor ist Chief Executive Officer ELNET für Deutschland, Österreich und die Schweiz.