Meinung

Die leeren Worte von Annalena Baerbock

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock Foto: picture alliance/dpa

Annalena Baerbock, Deutschlands Außenministerin, hat Worte als Mittel der Diplomatie. Wie sie diese einsetzt – darüber kann man streiten. Zum Beispiel im Fall Israel.

Zu ihren Worten selbst:

»Wir müssen bereit sein, hinzuschauen und dürfen nicht schweigen. Sie alle müssen freigelassen werden. Unverzüglich.« Werden sie aber nicht. Und nun?

»Es wird immer klarer, dass die israelische Armee mehr tun muss, um Zivilisten in Gaza zu schützen. Sie muss Wege finden, die Hamas zu bekämpfen, ohne dass so viele palästinensische Menschen Schaden an Leib und Leben erleiden.« Zwei bis drei Beispiele dafür, wie das aussehen könnte, wären hilfreich.

»Die Grenzübergänge Rafah im Süden und Keren Shalom im Norden sind regelrechte Flaschenhälse.« Das ist das Wesen von Grenzen.

»Es darf weder eine erneute israelische Besatzung noch eine Besiedlung geben.« Das sagt sogar die israelische Regierung. Einen anderen Plan gibt es nicht. Oder will Ministerin Baerbock das andeuten?

Dazu ihr Dringen auf ein »morgen«, unter Einbeziehung einer reformierten Palästinensischen Autonomiebehörde (PA). Allerdings geht die Außenministerin zumindest bisher nicht darauf ein, wie reformbereit oder -fähig die PA ist. Und ohne die Feststellung, dass eine solche Reform von Israel schon seit Längerem gefordert wird oder dass sie unabhängig von Israel schon seit Langem angebracht und nötig ist.

Kurz nach Kriegsbeginn und wiederholt hat sich Annalena Baerbock verbal deutlich an die Seite Israels gestellt. Auswirkungen auf das deutsche Abstimmungsverhalten in den UN hat das bislang nicht gehabt. Auch konkretes Handeln in Hinblick auf das von ihr verurteilte Massaker der Hamas ist ausgeblieben.

»Honestly Concerned«, ein gemeinnütziger Verein, der eine Informationsseite zu Israel und zum gesamten Nahen Osten betreibt, hat einiges Kritische zusammengetragen.

Deutsche Zahlungen an die Palästinenser und an UNRWA (das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten) wurden nicht nur wieder aufgenommen, sondern sogar deutlich erhöht – ungeachtet von Warnungen und Fakten.

Baerbock trifft sich im Westjordanland kritiklos mit Terrorunterstützern. Die verbale, finanzielle, ideelle und mediale Unterstützung der Hamas und des Terrors wird dabei nicht thematisiert. Die Ministerin kritisiert Israel am falschen Ort und inhaltlich an der falschen Stelle.

Sie ignoriert vorangegangene Abkommen, insbesondere was die Gebiets- bzw. Aufgabenaufteilung in der Westbank betrifft, wie auch die damit verbundenen rechtlichen Unterschiede zwischen den A- und C-Gebieten. A steht für Zonen unter palästinensischer Selbstverwaltung, C für Zonen, die vom israelischen Militär gesperrt sind und nicht zu den Autonomiegebieten gehören.

Sie unterstellt, dass palästinensische Propaganda, was extremistische Siedler betrifft, auf Tatsachen beruht. Nach aktuellen Zahlen hingegen ist der – verachtenswerte – Terror einer kleinen Minderheit der Siedler rückläufig. Er wird zudem von der israelischen Seite geahndet.

Was Kritik im Zusammenhang mit Hilfslieferungen betrifft: Das Außenamt sollte sich dafür interessieren, wie es kommt, dass die Hamas UNRWA-Hilfsgüter – ganze Lastwagenladungen – kapern kann. Auch fragt sich, warum die UN nicht in der Lage sind, mehr Lastwagen mit Hilfsgütern nach Gaza zu schaffen, obwohl Israel ihnen dafür die Möglichkeit gibt.

Was Ministerin Baerbock außen vor lässt, sind von Deutschland mitfinanzierte Probleme, einige auch aus zurückliegender Zeit: Israel-Hass in Schulbüchern, Lehrer, die Geiseln bei sich versteckten, Hilfswerk-Mitarbeiter, die offenkundig gleichzeitig Hamas-Terroristen waren oder sind, Hamas-Lager und -Tunnel voll von Hilfsgütern, Krankenhäuser als Terrorzentralen, Mitarbeiter deutscher Organisationen, die man wegen ihrer Hamas- bzw. extremistischen Gesinnung nicht nach Deutschland holen konnte.

Es gibt eine Freundschaft zwischen Deutschland und Israel durch funktionierende Kooperationen in Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur, auch zum Teil bei Polizei und Militär, außerdem in vielen anderen Initiativen. In der Politik, zumal durch das Außenamt, wird die Freundschaft auch immer wieder betont. Auf Deutschland verlassen kann sich Israel allerdings politisch offenkundig nur bedingt.

Stephan-Andreas Casdorff ist Herausgeber des »Tagesspiegels«, wo der Text zuerst erschienen ist.

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Volker Beck

Den Kampf gegen Antisemitismus nicht vereinnahmen

US-Präsident Trump nimmt den Antisemitismus an der Harvard University zum Anlass für einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit und die Rechtsgleichheit für alle

von Volker Beck  16.04.2025

Lasse Schauder

Wer den Begriff »Islamismus« bannen will, ist politisch unmündig

Die Berliner Jusos haben beschlossen, aus Gründen der Sprachsensibilität künftig nicht mehr von »Islamismus« sprechen zu wollen. Das ist ein fatales Signal an Betroffene extremistischer Gewalt

von Lasse Schauder  16.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  16.04.2025

Eren Güvercin

Wo sind die Gelehrten, die der Fatwa gegen Israel widersprechen?

Ein ranghoher Geistlicher erklärt den Kampf gegen Israel zur Pflicht eines jeden Muslims. Kritik an diesem offenen Terroraufruf sucht man bei deutschen Islamverbänden vergeblich

von Eren Güvercin  16.04.2025

Essay

Warum ich stolz auf Israel bin

Das Land ist trotz der Massaker vom 7. Oktober 2023 nicht zusammengebrochen, sondern widerstandsfähig, hoffnungsvoll und vereint geblieben

von Alon David  15.04.2025 Aktualisiert

Joshua Schultheis

Im Krieg braucht es ein Korrektiv

Das israelische Militär will den verheerenden Angriff auf Krankenwagen in Gaza untersuchen. Es geht um viel: die Glaubwürdigkeit der Armee, Gerechtigkeit für die Toten und darum, sinnloses Leid künftig besser zu verhindern

von Joshua Schultheis  15.04.2025

Ernst-Wilhelm Gohl ist Landesbischof der evanglischen Landeskirche Württemberg

Antisemitische Anfeindungen

»Langenau ist kein Einzelfall«

Der Landesbischof von Württemberg fordert den Schutz von Pfarrern, die von »propalästinensischen« Aktivisten bedrängt werden

von Ernst-Wilhelm Gohl  14.04.2025