»Ein freies Volk zu sein in unserem Lande« – die Worte aus der Hatikwa, der israelischen Nationalhymne, bekommen eine neue Bedeutung. Woche um Woche verfolgen wir die Demonstrationen in Israels Städten gegen die Justizreform.
Auf dem Bildschirm sehen wir, dass die Versammlungsfreiheit nicht eingeschränkt wird – doch meine Cousine aus Herzliyya hat erlebt, dass die Polizei zuletzt unverhältnismäßig vorgegangen ist. Im Internet lesen wir israelische Zeitungen, sie berichten kritisch und angriffslustig. Aber meine Familie in Tel Aviv fürchtet um die Redefreiheit.
MILITÄRDIENST Meine Verwandten sind übrigens keine Aktivisten. Sie gehören keiner Partei an und halten nichts von BDS. Sie arbeiten, zahlen Steuern, haben jahrelang in der Armee gedient und Kinder erzogen, die selbst Militärdienst leisten.
Meine Cousins und Cousinen lieben das Land, das ihre Eltern – Einwanderer aus Deutschland – vor der Vernichtung gerettet hat. Sie möchten es gegen kein anderes tauschen, auch wenn einige von ihnen deutsche Pässe besitzen. Jetzt fragen sie am Telefon: »Ist das noch unser Staat?«
Ihre Angst um die Zukunft steckt an. Denn das Land, mit dem wir solidarisch sind, kennen wir als einzige Demokratie des Nahen Ostens. Was würde es für uns Jüdinnen und Juden in der Diaspora bedeuten, wenn Israel nicht mehr demokratisch wäre? Wo wäre unser »sicherer Hafen«, der Ort unserer Zuflucht in Zeiten der Not?
HILFE Oder haben sich die Verhältnisse umgekehrt? Sind wir jetzt diejenigen, die Israel helfen müssen? Und was können wir überhaupt tun, so viele Tausend Kilometer entfernt?
Gerade fragte mein Sohn: »Machen wir dieses Jahr Urlaub in Israel?« Ich gebe zu, am liebsten hätte ich »Nein« gesagt und auch seinen Wunsch, Iwrit zu lernen, ignoriert.
Stattdessen habe ich einen Lehrer und einen Flug gebucht. Solidarität zeigt sich nicht nur in guten Zeiten. Oder wie es in der Hatikwa heißt: »Noch ist unsere Hoffnung nicht verloren!«
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