Rabbiner Andreas Nachama

Die Hochschule lebt neu weiter

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts war innerhalb der jüdischen Gemeinden das Bedürfnis groß, zwischen säkularer Bildung und jüdischer Tradition eine Brücke zu bauen

von Rabbiner Andreas Nachama  05.05.2022 15:38 Uhr

Andreas Nachama Foto: Chris Hartung

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts war innerhalb der jüdischen Gemeinden das Bedürfnis groß, zwischen säkularer Bildung und jüdischer Tradition eine Brücke zu bauen

von Rabbiner Andreas Nachama  05.05.2022 15:38 Uhr

Dieser Tage wird der 150. Jahrestag der Gründung der »Hochschule für die Wissenschaft des Judentums« gefeiert, anstatt das Datum in einer Gedenkfeier zu würdigen. Denn neben den sechs Millionen ermordeten europäischen Juden war das gesamte Netzwerk jüdischen Lebens in Europa und damit auch diese Hochschule vernichtet worden.

Zwar gelang es, 1979 in Heidelberg eine Jüdische Hochschule einzurichten, aber der wirkliche Anschluss und Durchbruch gelang erst in Potsdam. Hier lebt die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums neu weiter.

rabbinerkonferenzen Wer sich noch erinnert, wie schwierig es war, Rabbiner für die seit Beginn der 90er-Jahre wieder größer werdende Zahl an jüdischen Gemeinden zu finden, reibt sich jetzt die Augen, dass in den Reihen der beiden Rabbinerkonferenzen fast 100 zu einem immer größer werdenden Teil hierzulande ausgebildete Rabbiner und Rabbinerinnen sitzen.

Die Hochschule bahnte eine »Versöhnung zwischen Rabbinismus und modernem wissenschaftlichen Geist« an. Aber auch innerhalb der jüdischen Gemeinden war seit Beginn des 19. Jahrhunderts das Bedürfnis groß, zwischen säkularer Bildung und jüdischer Tradition eine Brücke zu bauen.

Die Hochschule bahnte eine »Versöhnung zwischen Rabbinismus und modernem wissenschaftlichen Geist« an.

Während schon vor mehr als 200 Jahren christliche Theologie, auch Hebraistik und Judaistik an kirchlichen wie staatlichen Akademien und Hochschulen zu einem Diskurs zwischen Akademikern aller Disziplinen und großen Blüten der Geisteswissenschaften führten, blieb der jüdische Anteil daran auf wenige Privatgelehrte, wie zum Beispiel Moses Mendelssohn, beschränkt.

vision Eher von der Seitenlinie habe ich erlebt, wie es zunächst einem einzelnen Protagonisten, Walter Homolka, mit einer großen Vision, der nötigen Chuzpe und einer größer werdenden Zahl von engagierten Mitstreitern gelungen ist, ein liberales Rabbinerseminar zu gründen.

Aber nicht genug damit, es gelang auch, eine jüdisch-theologische Fakultät innerhalb eines Jahrzehnts aus dem Nichts – in der Rückschau in der Tradition der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums – in der Hochschullandschaft zu etablieren. Kol HaKawod! Alle Achtung!

Der Autor ist Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK).

Kommentar

Shiri, mein Herz bricht für dich

Sarah Cohen-Fantl will nicht verzeihen, dass Shiri, Kfir und Ariel Bibas nicht gerettet wurden

von Sarah Cohen-Fantl  21.02.2025

Katrin Richter

Demokratie statt Lethargie

Wer nicht wählt, muss mit dem leben, was dann dabei herauskommt

von Katrin Richter  21.02.2025

Igor Mitchnik

Europa muss sich hinter die Ukraine stellen

Trump denkt nicht transatlantisch, sondern transaktional

von Igor Mitchnik  20.02.2025

Meinung

Kennen Sie Abed Hassan?

Vieles, was der Berliner sagt, ist bedenklich nah dran an Hamas-Propaganda.

von Susanne Stephan  19.02.2025

Glosse

Ein Hoch auf die Israelkritik

Der »Spiegel« hat mit dem indischen Essayisten Pankaj Mishra ein »erhellendes« Interview zum Nahostkonflikt geführt

von Michael Thaidigsmann  18.02.2025

Meinung

Wie das Ende eines Alptraums, der fünf Jahre gedauert hätte

Alon Ishay ist erleichtert, dass die Koalitionsgespräche der FPÖ vorerst gescheitert sind

von Alon Ishay  17.02.2025

Meinung

Was »Sensibilität« bei der Berlinale bedeutet

Das Film-Festival hat eigens FAQ zum Nahostkonflikt veröffentlicht und distanziert sich darin gleich von der Antisemitismus-Resolution des Bundestages

von Maria Ossowski  20.02.2025 Aktualisiert

Einspruch!

Holt sie aus der Hölle raus

Sabine Brandes fordert, alles dafür zu tun, um auch die letzten verbliebenen Geiseln zu retten

von Sabine Brandes  13.02.2025

Meinung

Kanye West und der grassierende Antisemitismus in den USA

Die neuesten judenfeindlichen Eskapaden des Rapstars sind symptomatisch für eine bedrohliche Diskursverschiebung, die von Donald Trump und Elon Musk befeuert wird

von Ruben Gerczikow  10.02.2025