Meinung

Die Gemeinschaft spüren

Warum das Judentum am besten zusammen funktioniert

von Irene Miziritska  20.08.2022 21:20 Uhr

Irene Miziritska Foto: privat

Warum das Judentum am besten zusammen funktioniert

von Irene Miziritska  20.08.2022 21:20 Uhr

»Man kann nicht auf einer Chasune tanzen und nicht auf die Lewaje gehen.« Diese Redewendung hörte ich einmal bei einem Bekannten, und sie gefiel mir. Denn sie besagt: In Freude wie in Trauer ist man vereint, man teilt gute wie schlechte Zeiten, und es ist die Gemeinschaft, auf die man im Judentum bauen kann.

Und dieses Prinzip zieht sich stringent durch das Judentum. Bei freudigen Ereignissen wie einer Hochzeit oder Feiertagen wie Simchat Tora wird gemeinsam gefeiert, und wenn jemand einen Todesfall zu beklagen hat und Schiwa sitzen muss, wird der Trauernde nicht alleingelassen, sondern es ist Brauch, diesen zu besuchen, zu trösten und Essen zu bringen.

Talmud Viele rituelle Verpflichtungen können nicht allein erfüllt werden, sie erfordern eine Gemeinschaft. So widmet man sich dem Tora- oder Talmud-Studium am besten zu zweit, also mit einem Lernpartner – Chawruta genannt –, um nicht nur die eigene subjektive Sichtweise gelten zu lassen, sondern damit ein Meinungsaustausch stattfinden kann.

Einen Simun beim Tischgebet kann man ab der Anwesenheit von drei Männern sprechen, und ganz zentral ist im Judentum der Minjan. Erst wenn zehn oder mehr Männer anwesend sind, kann beispielsweise aus der Tora gelesen oder Kaddisch gesagt werden.

In den Sprüchen der Väter (Pirkej Awot) wird der Wert der Gemeinschaft an unterschiedlichen Stellen betont. So sagt beispielsweise Rabbi Nehorai: »Lasse dich an einem Ort nieder, wo Tora zu Hause ist, (…), denn nur durch (Studien-)Genossen wird Tora in deiner Hand bleiben.«
Ein Moment der Gemeinschaft lässt sich gut beim Kiddusch nach dem G’ttesdienst am Schabbat einfangen.

Generationen Dort begegnen sich Menschen unterschiedlicher Generationen, tauschen sich aus, essen und singen zusammen. Daher war die Pandemie, die lange Zeit Begegnungen unmöglich machte, so eine große Herausforderung für die jüdische Gemeinschaft – sie lebt nämlich genau davon und schöpft auch daraus ihre Kraft. Aber nicht nur vor Ort lässt sich die Gemeinschaft spüren, auch auf globaler Ebene. Denn wenn Juden beispielsweise am Pessach zusammenkommen und mit ihren Familien den Auszug aus Ägypten beim Sederabend feiern, dann geschieht dies auch in dem Bewusstsein, dass Millionen Juden auf der ganzen Welt das im gleichen Moment ebenfalls tun. Überall wird aus der Haggada gelesen, werden Mazzot gegessen, und überall stellen die Kleinsten dieselben vier Fragen.

»No Man is an Island« – diese Worte des englischen Schriftstellers und Dichters John Donne, die auch aus dem Bestseller Wem die Stunde schlägt von Ernest Hemingway bekannt sind, sind wahr, besonders dann, wenn es um die jüdische Gemeinschaft und das Leben ihrer Traditionen geht. Und so ist auch dieser Text nicht ohne einen vorherigen Gedankenaustausch und eine Diskussion nach talmudischem Vorbild mit einem Chawruta entstanden. Danke dafür, David!

Meinung

Die Union legitimiert die AfD und diffamiert alle Migranten

Friedrich Merz schafft ein Umfeld, in dem Antisemitismus gedeiht, wenn er die Punkte der AfD übernimmt

von Liora Jaffe  05.02.2025

Appell

Reißt euch zusammen!

Die Parteien der demokratischen Mitte müssen in der Migrationspolitik endlich Kompromisse eingehen – alles andere stärkt die Extremisten

von Ayala Goldmann  05.02.2025

Kommentar

Historischer Tabubruch? Einreißen der Brandmauer?

Friedrich Merz und die Verschärfung der Migrationspolitik: Eine Einordnung von JA-Chefredakteur Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  05.02.2025 Aktualisiert

Kommentar

Hoffen wir, dass Donald Trump einen Plan hat

Der US-Präsident will den Gazastreifen besetzen und hätte nichts dagegen, wenn Israel Teile des Westjordanlands annektieren würde. Was will er damit bezwecken?

von Nils Kottmann  05.02.2025 Aktualisiert

Meinung

Das erdrückende Schweigen der »Anständigen« beim Thema Antisemitismus

Hunderttausende demonstrieren gegen Rechtsextremismus und skandieren »Nie wieder ist jetzt«. Doch beim Antisemitismus sind sie erstaunlich still

von Ralf Balke  03.02.2025

Meinung

Ohne sie sind wir nicht vollständig

Wir dürfen und werden nicht ruhen, bis endlich wieder alle Geiseln zu Hause sind

von Benjamin Graumann  02.02.2025

Meinung

Mutig wie Liri Albag

Ein Mädchen, das gerade einmal 18 Jahre alt war, als es von Hamas-Verbrechern verschleppt wurde, ist zum Symbol für Kraft und Resilienz geworden – und zum Vorbild für uns alle

von Sophie Albers Ben Chamo  01.02.2025

Meinung

Dieser Weg führt zu einer Koalition mit der AfD

Die Union und ihr Kanzlerkandidat haben sich verrannt. Wird eine Mehrheit im Bundestag mithilfe der AfD zur Regel, kommt die rechtsextreme Partei früher oder später an die Macht

von Joshua Schultheis  01.02.2025

Kommentar

Der stumme Schrei der Arbel Yehoud

Die Israelin wurde am Donnerstag von den Hamas-Terroristen endlich freigelassen. Die junge Frau muss unvorstellbare Qualen ausgestanden haben

von Nicole Dreyfus  31.01.2025