Meinung

Die Doppelgänger des Kreml

Russlands Präsident Wladimir Putin bei einer Videokonferenz Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

Bereits im Juli dieses Jahres veröffentlichte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) seinen Bericht über die großangelegte russische Desinformationskampagne »Doppelgänger« inklusive technischer Details. Ziel des Kremls ist es, die politische Stimmung in westlichen Ländern massiv zu beeinflussen und in Russlands Sinne zu verändern.

Zu den wichtigen Zielstaaten der Kampagne gehört neben den USA und Frankreich auch Deutschland. Das ist nicht verwunderlich, da diese Länder sich stark für die Belange der Ukraine einsetzen. Interessant ist, dass auch Israel zu den fünf wichtigsten Zielen russischer Einflussnahme gehört. Angesichts der zahlreichen, häufig von Falschnachrichten geprägten Demonstrationen gegen Israel auch hierzulande sollte dies nicht verwundern.

Die jetzt bekanntgewordenen Erkenntnisse sind nicht neu, und auch der Bericht des BayLfV liegt bereits seit fünf Wochen vor. Nun erst jetzt findet er größere Beachtung. Grund ist ein Leak von Dokumenten der »Social Design Agency« (SDA). Die Agentur wird von Ilya Gambashidze geführt und gilt als »Trollfabrik«, die im Auftrag des Kreml tätig ist.

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Die Papiere zeigen, wie die Stimmung in Deutschland im Sinne Russlands beeinflusst werden soll, um Menschen Angst vor der Zukunft zu machen. Den Worten Gambashidzes zufolge sollen »Informationen aus dem westlichen Medienbereich« gesammelt und analysiert, »eigene Narrative« entwickelt und diese dann zu Inhalten gesponnen werden. So macht sich die SDA beim Thema Ukraine-Krieg zum Ziel, mehr als die Hälfte der Deutschen davon zu überzeugen, dass die Bundesrepublik kein Geld mehr für die Ukraine bereitstellen solle.

Dass deutsche Nachrichtenseiten mit anderer Domainendung nachgebaut wurden, dürfte für viele keine neue Erkenntnis gewesen sein, ebenso wenig wie die Tatsache, dass Webseiten nachgebaut wurden, um Falschinformationen einen »wissenschaftlichen« und damit seriösen Anstrich zu verleihen validieren.

Kampagnen in soziale Netzwerken

Der Bericht des BayLfV kommt zu dem Schluss, dass die russischen Kampagnen bewusst dafür da waren, sowohl die Alternative für Deutschland (AfD) als auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zu stärken. Das geht auch aus einer geleakten SDA-Präsentation hervor, in der explizit das Ziel genannt wird, die AfD auf einen Stimmenanteil von mehr als 20 Prozent zu bringen.

Neu aus der Analyse geht hervor, dass »Doppelgänger« auch einzelne News-Beiträge bekannter Herausgeber verwendet, die aus dem Kontext gerissen und für Zwecke der Desinformation einsetzt werden.

Die vom BayLfV analysierten Daten umfassen den Zeitraum von Mai 2023 bis Juli 2024. Insgesamt 7983 Kampagnen wurden demnach von »Doppelgänger« erstellt und über Facebook oder X ausgespielt. Ab Oktober stieg ihre Zahl signifikant an.

Das Landesamt geht aufgrund des hohen Aktualitätsbezugs davon aus, dass für die Auswertung KI-Modelle verwertet wurden. Der Akteur sammelte zur Steuerung seiner Inhalte nicht nur Klickstatistiken, sondern auch die Nutzerdaten der Leser.

Die Verfassungsschützer sind sich sicher: Der Akteur, der hinter »Doppelgänger« steht, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der russische Staat. Damit sollen westliche Gesellschaften gespalten und der demokratische Willensbildungsprozess beeinflusst werden.

Ob das tatsächlich schon gelungen ist, ist schwer zu sagen. Man sollte die Reichweite der »Doppelgänger«-Kampagne mit insgesamt 828.842 Klicks aber keinesfalls unterschätzen. Sie zeigt, dass nach wie vor über die sozialen Medien, allen voran Facebook und X, massiv Desinformation verbreitet wird und im großen Stil manipuliert wird. Die Plattformen müssten eigentlich viel schneller und energischer handeln, um Schaden für die Demokratie zu verhindern.

Hinweis der Redaktion: In der ersten Version dieses Textes fand sich auch ein Hinweis auf die Wochenzeitung »freitag«, der auf dem ursprünglich veröffentlichten Bericht des BayLfV beruhte. Das Landesamt hat den Bericht jedoch zwischenzeitlich geändert und eine Klarstellung dazu veröffentlicht. Das entsprechende Kapitel findet sich nun nicht mehr im Bericht des BayLfV, sodass die betreffenden Passagen auch aus diesem Artikel entfernt wurden.

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