Erneut waren die Oscars ein Spektakel. In diesem Jahr wurden zwar keine Ohrfeigen verteilt, dafür gab es jede Menge Antisemitismus. Ob Stars, die sich antisemitische Anstecker anpinnten oder Stars, die die antisemitischen Äußerungen des Regisseurs Jonathan Glazer beklatschten, der für seinen Holocaust-Film »The Zone of Interest« gleich mit zwei Oscars ausgezeichnet wurde. Für antisemitische Statements gab’s in diesem Jahr bei den Oscars tosenden Applaus.
Es erscheint jedoch zynisch, dass Jonathan Glazer in seiner Dankesrede für die Oscar-Verleihung betonte, der Film solle zum Nachdenken über das Handeln in der Gegenwart anregen und dann aber im gleichen Atemzug antisemitische Positionen reproduziert.
Der Regisseur wollte einen Beitrag zur Auseinandersetzung mit dem Holocaust leisten, erwähnte in seiner Dankesrede bei den Oscars aber mit keinem Wort die Opfer der Schoa, die unzähligen durch die Hauptfigur seines Films – den SS-Obersturmbannführer und Nazi-Lagerkommandant Rudolf Höß – ermordeten Menschen.
Eliminatorische Ideologie
Er ließ auch die eliminatorische Ideologie der Nationalsozialisten, die zum industriellen Massenmord an Millionen Menschen führte, unerwähnt. Während Glazer einen Preis für einen Film über den Holocaust entgegennahm, formulierte er stattdessen schamlos den Vorwurf, der Holocaust werde für eine Besatzung missbraucht, die sowohl den Krieg in Gaza als auch die Opfer des 7. Oktobers zu verantworten habe.
Diese unschuldigen Menschen seien alle Opfer dieser Entmenschlichung. Damit erklärte Glazer, die Juden seien selbst schuld daran, dass sie beim größten antisemitischen Massaker seit dem Holocaust abgeschlachtet wurden. Dass Glazer für die Bekräftigung dieser Ansicht zusätzlich seine jüdische Identität anführte, macht sein Statement noch perfider.
Er sprach von Entmenschlichung, sagte aber nichts über die leblosen Körper, die die Hamas-Terroristen am 7.Oktober auf Pick-Up-Trucks oder über Motorräder gehängt durch die Straßen Gazas fuhren, während palästinensische Zivilisten die Leichname bespuckten, auslachten und Allah für die Beute dankten.
Ursache und Wirkung
Glazer erwähnte in seiner Rede zwar die »Opfer des 7. Oktober«, machte aber die »Besatzung« dafür verantwortlich. Seit 2005 gibt es keine Besatzung mehr in Gaza, dafür aber eine menschenverachtende Terrororganisation, die von den Palästinensern zur Regierung gewählt wurde und die immer wieder ihre eliminatorische Absicht gegenüber Juden bekundet.
Er schwieg zu den Vergewaltigungen, Verstümmelungen und Misshandlungen von Kindern, Frauen und Alten durch die Hamas-Terroristen - und er schwieg zu der Leugnung dieser Verbrechen. Damit vertauschte er Ursache und Wirkung und Täter und Opfer.
Seit fünf Monaten hält die Hamas über 130 Menschen in Gaza in Geiselhaft fest. Darunter befinden sich auch einige Holocaust-Überlebende, doch auch sie sind für den Filmemacher nicht erwähnenswert. Aktuell leben noch 245.000 Holocaust-Überlebende auf der Welt, die Hälfte von ihnen in Israel.
Schlag ins Gesicht
Als Regisseur eines Holocaustfilms, an dem er drei Jahre lang mit der Auschwitz-Gedenkstätte zusammenarbeitete, ist sein ganzes Werk ein Schlag ins Gesicht für jene Menschen, die in Auschwitz – dem Ort, den Glazer bemüht war historisch akkurat darzustellen, ermordet wurden. Die Frage, wer den Holocaust nun für seine Agenda missbraucht, sollte der Regisseur an sich selbst richten.
Immerhin widersprach ihm nachträglich der Finanzier des Films Danny Cohen in einem Podcast. »Da bin ich grundsätzlich anderer Meinung als Jonathan«, sagte er. »Meine Unterstützung für Israel ist unerschütterlich. Der Krieg und die Fortsetzung des Krieges liegen in der Verantwortung der Hamas, einer völkermörderischen Terrororganisation, die weiterhin Geiseln festhält und misshandelt und die ihre Tunnel nicht zum Schutz der unschuldigen Zivilisten in Gaza nutzt, sondern dazu, sich zu verstecken. Auch lässt sie zu, dass Palästinenser sterben.«
»Ich halte den Krieg für tragisch und schrecklich und den Verlust an Zivilistenleben für schrecklich, aber dafür gebe ich der Hamas die Schuld«, so Cohen. »Und jede Diskussion über den Krieg ohne den richtigen Kontext ist nicht zielführend«, erklärte er weiter.
Missbrauch der Oscars
An jenem Abend missbrauchte jedoch nicht nur Jonathan Glazer die Oscars für politische Statements, auch andere Hollywood Stars machen durch auffallende Anstecker von sich reden: Pins mit roten Händen, die Blut symbolisieren sollen. Die Pins stammen von der Kampagne Artists 4 Ceasefire. Dass ausgerechnet diese Symbolik für ein Statement für Waffenstillstand benutzt wird, ist besonders grausam.
Gerade Israelis, an die sich die Botschaft der Anstecker vermeintlich richten soll, assoziieren mit blutverschmierten Händen in erster Linie ein Ereignis aus dem Jahr 2000 während der Zweiten Intifada – den Lynchmord von Ramallah. Damals massakrierte eine wütende palästinensische Meute zwei Israelis in der dortigen Polizeistation, riss ihnen Organe heraus und warf eine der misshandelten Leichen aus dem Fenster des Gebäudes. Einer der Mörder streckte seine blutverschmierten Hände aus dem Fenster der Polizeistation dem draußen jubelnden Mob entgegen.
Die Roten Hände stehen jedoch darüber hinaus auch in direktem Zusammenhang mit den Nationalsozialisten. Auch das hätte ein Stichwort auf der Karteikarte des Regisseurs Jonathan Glazer sein können, von der er bei seiner Preis-Verleihung konzentriert ablas.
Arabischer Antisemitismus
Die Nahostpolitik des Dritten Reiches sorgte dafür, dass die antisemitische Nazi-Ideologie bereits Ende der 1930er Jahre in den arabischen Staaten Fuß fasste. Durch den Aufstieg Hitlers nahm der arabische Antisemitismus, insbesondere im Irak zu. Die Nationalsozialisten unterstützten die Gründung antisemitischer Organisationen im Irak und versorgten diese mit Geld und Propagandamaterial.
1941 kam es folglich zum Farhud – dem antisemitischen Pogrom in Bagdad, bei dem um die 130 irakische Juden ermordet und mehrere Hundert verletzt wurden. Mit roten Händen wurden damals jüdische Häuser markiert, um diese dem antisemitischen Mob vorzuführen. Der 85-jährige Shlomo Mansour ist Überlebender des Farhud-Pogroms und wurde am 7. Oktober gemeinsam mit weiteren Menschen von den Hamas Terroristen nach Gaza verschleppt.
Bis heute befindet er sich in Geiselhaft. Mansour ist Zeitzeuge, der selbst erfuhr, was die roten Hände bedeuten. Dass nun aber gerade dieses Symbolbild von den Artists 4 Ceasefire für ihre Botschaft gewählt wurde, sollte allen Anstecker tragenden Stars zu denken geben.
Komplexe Zusammenhänge
Es geht nicht darum einen Waffenstillstand abzulehnen, sondern um die Tatsache, dass der Krieg sofort vorbei wäre, wenn die Hamas die Geiseln freiließe und sich ergäbe. Die internationalen Forderungen, die Waffen niederzulegen, richten sich jedoch einzig an Israel, nicht aber an die Verursacher des Krieges – die Hamas.
Wiedermal wurde der Kunstbetrieb für Antisemitismus missbraucht. Mit ziemlich großer Sicherheit haben die meisten Stars, die sich zu politischen Statements veranlasst sahen, keine Ahnung von komplexen weltpolitischen Zusammenhängen, historischen Begebenheiten und geopolitischen Entwicklungen.
Man kann nur hoffen, dass sich die Hollywood-Stars bei künftigen Award-Shows die Worte von Ricky Gervais, die er bei den Golden Globes 2020 formulierte, zu Herzen nehmen: »Wenn Sie heute Abend einen Preis gewinnen, nutzen Sie ihn nicht als Plattform für eine politische Rede. Sie sind nicht in der Lage, die Öffentlichkeit über irgendetwas zu belehren. Sie wissen nichts über die reale Welt. Die meisten von Ihnen haben weniger Zeit in der Schule verbracht als Greta Thunberg. Wenn du gewinnst, komm vorbei, nimm deine kleine Auszeichnung entgegen, danke deinem Agenten und deinem Gott - und dann verpiss dich.«
Anna Staroselski ist Sprecherin der »WerteInitiative – jüdisch-deutsche Positionen«.