Realitäten sind manchmal komplex und schwer planbar. Hätte die Ukraine ihre aktuelle Offensive in Kursk in der Logik von Finanzminister Christian Lindner begonnen, wonach Ausgaben für das Militär in Zukunft nur noch nach Absprache mit den Haushaltsplanern bewilligt werden dürfen, dann hätte es diese wohl nie so gegeben. Das Überraschungsmoment wäre auf der Strecke geblieben.
Dabei kann ein solches, wie der erfolgreiche Angriff der ukrainischen Armee auf russisches Territorium zeigt, für den weiteren Kriegsverlauf von entscheidender Bedeutung sein. Aus Sicht der Bundesregierung aber scheint die schwarze Null im Haushalt für das Jahr 2025 die größere Priorität zu haben als ein möglicher Erfolg der Ukraine. Daher waren Meldungen, dass in der aktuellen Budgetplanung der Ampelkoalition für zusätzliche militärische Hilfen an das in seiner Existenz bedrohte Land keine Gelder mehr vorgesehen seien, eine heftige und bittere Überraschung.
Berlin zeigt damit erneut seine Ambivalenz, wenn es um konkrete Solidarität mit der Ukraine geht. Zwar ist Deutschland einer ihrer wichtigsten Unterstützer. Doch der Weg dahin war mühsam und langwierig. Oftmals dominierten überhöhte Vorstellungen von der Macht Russlands sowie eine Geringschätzung der Fähigkeiten der Ukraine. Viel war von roten Linien bei bestimmten Waffen die Rede, beispielsweise beim Panzer Leopard, die man überschreite, wenn diese an Kiew geliefert würden. Erstaunlich oft machten sich Personen dabei – ob bewusst oder unbewusst sei dahin gestellt - zum Sprachrohr des russischen Aggressors.
Aktuell zeigt die Ukraine, zu welchen Leistungen sie selbst im dritten Jahr dieses brutalen Angriffskrieges imstande ist.
Deutschland kann sich aber nicht auf seinen Zusagen von gestern ausruhen. Ein Krieg richtet sich nun einmal nicht nach einem auch noch so akribisch geplanten Zahlenwerk des Bundesfinanzministers. Und im laufenden Jahr konnte der Bundestag durchaus zusätzliche Gelder mobilisieren und so die im Haushalt eingeplanten Mittel erhöhen.
Doch 2025 ist ein Wahljahr. Genau das sollte aber ein Argument für die aktuelle Bundesregierung sein, schon jetzt den finanziellen Rahmen für weitere Zusagen zu schaffen. Nur so kann verhindert werden, dass der Nachschub an dringend benötigten Waffen nicht vom Wahlkampf oder von einer neuen Regierung, die sich erst noch finden muss, ausgebremst wird.
Aktuell zeigt die Ukraine ja auch, zu welchen Leistungen sie selbst im dritten Jahr dieses brutalen Angriffskrieges plötzlich imstande ist. Will Deutschland wirklich der verlässliche Partner an ihrer Seite sein, wie öffentlich immer betont wird, dann sollte man auch in Zukunft in der Lage sein, die Ukraine zu unterstützen - erst Recht, wenn es um Überraschungen an der Front geht.
Der Autor lebte in Halle und ist SPD-Politiker.