Eugen El

Deutsch oder Russisch?

Eugen El Foto: Marco Limberg

Die Sendung mit der Maus oder Mascha und der Bär? Erich Kästner oder Samuil Marschak? Diese Frage wird hierzulande in vielen russischsprachigen Elternhäusern diskutiert. Auch junge jüdische Paare mit Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion stehen vor einer nicht ganz einfachen Wahl: Sollen die Kinder zuerst die (russische) Muttersprache erlernen, um dann in der Kita oder allerspätestens in der Grundschule die deutsche Sprache nachzuholen? Oder ist es sinnvoll, ihnen möglichst früh Deutsch beizubringen, um ihre Bildungschancen nicht zu mindern?

Für die Chancen ihrer Kinder stehen die Eltern in der Verantwortung. Denn besonders im mehrgliedrigen deutschen Schulsystem kann ein früher sprachlicher Rückstand die Bildungsbiografie schädigen. Doch wenn ein Kind von Einwanderern die Sprache seiner Eltern und Großeltern nicht von früh auf erwirbt, wird es ihrer womöglich nie mehr mächtig sein. Die in Kreisen russischsprachiger, aber etwa auch polnischstämmiger Zuwanderer nicht selten anzutreffende Neigung zur Assimilation ist in den vergangenen Jahren immer häufiger Thema von Büchern und Magazinartikeln gewesen.

ASSIMILATION Ob selbstkritisch von unsichtbaren »Strebermigranten« gesprochen oder die zwischenzeitlich verloren gegangene russische Muttersprache wiederentdeckt wurde: Solche Beispiele zeigen, dass auch der Preis der vollständigen sprachlichen Assimilation hoch ist.

Für die Chancen ihrer Kinder stehen die Eltern in der Verantwortung.

Denn auch die dritte Einwanderergeneration, die bereits in Deutschland zur Welt kommt, wird sich früher oder später mit ihren Wurzeln auseinandersetzen. Und selbst wenn der Vorname nicht mehr so vermeintlich exotisch klingt wie bei den Eltern, kann der für viele Deutsche unaussprechliche Nachname dafür sorgen, dass auch hier Geborene irgendwann die Frage »Und woher kommst du eigentlich?« zu hören bekommen.

Seiner Herkunft und Muttersprache entkommt man nicht. Das wissen viele junge jüdische Eltern aus eigener Erfahrung. Sie setzen daher bewusst auf russische Trickfilme und sowjetische Kinderbuchklassiker. Die sie umgebende deutsche Sprache saugt ihr Nachwuchs ohnehin wie ein Schwamm auf.

eugen.el@juedische-allgemeine.de

Kommentar

Shiri, mein Herz bricht für dich

Sarah Cohen-Fantl will nicht verzeihen, dass Shiri, Kfir und Ariel Bibas nicht gerettet wurden

von Sarah Cohen-Fantl  21.02.2025

Katrin Richter

Demokratie statt Lethargie

Wer nicht wählt, muss mit dem leben, was dann dabei herauskommt

von Katrin Richter  21.02.2025

Igor Mitchnik

Europa muss sich hinter die Ukraine stellen

Trump denkt nicht transatlantisch, sondern transaktional

von Igor Mitchnik  20.02.2025

Meinung

Kennen Sie Abed Hassan?

Vieles, was der Berliner sagt, ist bedenklich nah dran an Hamas-Propaganda.

von Susanne Stephan  19.02.2025

Glosse

Ein Hoch auf die Israelkritik

Der »Spiegel« hat mit dem indischen Essayisten Pankaj Mishra ein »erhellendes« Interview zum Nahostkonflikt geführt

von Michael Thaidigsmann  18.02.2025

Meinung

Wie das Ende eines Alptraums, der fünf Jahre gedauert hätte

Alon Ishay ist erleichtert, dass die Koalitionsgespräche der FPÖ vorerst gescheitert sind

von Alon Ishay  17.02.2025

Meinung

Was »Sensibilität« bei der Berlinale bedeutet

Das Film-Festival hat eigens FAQ zum Nahostkonflikt veröffentlicht und distanziert sich darin gleich von der Antisemitismus-Resolution des Bundestages

von Maria Ossowski  20.02.2025 Aktualisiert

Einspruch!

Holt sie aus der Hölle raus

Sabine Brandes fordert, alles dafür zu tun, um auch die letzten verbliebenen Geiseln zu retten

von Sabine Brandes  13.02.2025

Meinung

Kanye West und der grassierende Antisemitismus in den USA

Die neuesten judenfeindlichen Eskapaden des Rapstars sind symptomatisch für eine bedrohliche Diskursverschiebung, die von Donald Trump und Elon Musk befeuert wird

von Ruben Gerczikow  10.02.2025