Kein Staat ist dermaßen gefährdet wie Israel. Bereits in der Stunde seiner Gründung, am 14. Mai 1948, wurde Zion von fünf arabischen Armeen mit dem ausdrücklichen Ziel überfallen, das Land zu vernichten und dessen hebräische Bewohner zu vertreiben. Dem israelischen Militär gelang es, die arabische Offensive zurückzuschlagen. Der Blutzoll war hoch. Trotz Friedensverträgen mit einer Reihe von Nachbarstaaten ist Israel nach wie vor hochgefährdet – wie die Terrorangriffe des 7. Oktober 2023 aus dem Gazastreifen beweisen.
Um diese latenten Gefahren zu bannen, braucht es neben kluger Politik und Diplomatie effiziente Streitkräfte. In Israel ist eine Voraussetzung die allgemeine Wehrpflicht für taugliche jüdische Männer und Frauen. Mit Ausnahme ultraorthodoxer Juden, Jeschiwa-Studenten und frommer Frauen. Die Jeschiwe-Bocher sollen sich nach dem Willen ihrer Rabbiner und Politiker aufs Torastudium konzentrieren, die Frauen aufs Kinderkriegen.
Im vergangenen Jahr sind 66.000 ultraorthodoxe Männer gemustert worden
1949 akzeptierte Israels Premier David Ben Gurion dies, weil er die Unterstützung der Ultraorthodoxen benötigte. Damals waren 250 Jeschiwa-Studenten betroffen. Im vergangenen Jahr sind 66.000 ultraorthodoxe Männer gemustert worden. Weniger als ein Prozent von ihnen hat sich zum Wehrdienst bereit gefunden. Diesen ungerechten Zustand wollen die übrigen Israelis nicht länger hinnehmen. Die Justiz ebenfalls nicht.
Das Oberste Gericht hat die Regierung nun aufgefordert, bis zum 25. März eine stichhaltige Begründung dieser Praxis zu liefern. Likud-Premier Netanjahu brüstet sich seines Patriotismus. In seiner Koalition sitzen ungediente Chauvinisten wie Sicherheitsminister Ben-Gvir und Finanzminister Smotrich. Zudem ist man – wie einst Ben Gurion – auf die Unterstützung der Ultraorthodoxen angewiesen.
Daher würde Netanjahu die »Frommen« augenzwinkernd ohne Militärdienst davonkommen lassen. Doch wenn es um den Bestand des Staates geht und um Leben und Tod seiner Bürger, sollten alle gleichgestellt sein. Die Ultras werden auf ihrem Privileg beharren. So vertieft sich die gesellschaftliche Kluft.
Der Autor ist Historiker und Schriftsteller.