Léonardo Kahn

Der Schutzraum in Frankreich verkommt

Das Nachbarland ist ein Sehnsuchtsort vieler Juden. Aber es wimmelt auch von Antisemiten

von Léonardo Kahn  25.06.2024 15:16 Uhr

Léonardo Kahn war von 2020 bis 2022 freier Paris-Korrespondent Foto: Marine Clément

Das Nachbarland ist ein Sehnsuchtsort vieler Juden. Aber es wimmelt auch von Antisemiten

von Léonardo Kahn  25.06.2024 15:16 Uhr

Frankreich ist eigentlich ein Land, in dem sich Juden sicher fühlen sollten. Ähnlich wie in den USA ist die Angehörigkeit zum Judentum eben so nebensächlich wie einen Migrationshintergrund aus Italien oder Irland. Juden sind zwar nicht Teil der Mehrheitsgesellschaft, werden aber auch nicht als Kuriositäten vorgeführt. Nirgendwo in Europa leben Juden ihren Glauben so offen wie hier, wo Jungs an Shabbat Fußball spielen bis die Tzitzit fliegen.

Frankreich ist deswegen auch ein Sehnsuchtsort vieler Juden. Klar wimmelt es auch im Nachbarland von Antisemiten, zudem sind jüdische Einrichtungen Ziele islamistischer Anschläge. Aber man stößt auf der Arbeit, im Café oder in der Schule ständig auf Glaubensgenossen, mit denen man sich nach jüdischer Manier über die grassierenden Umstände im Land echauffieren kann. In Deutschland müsste man dafür extra in die Synagoge gehen.

Doch der Schutzraum in Frankreich verkommt. Das passiert nicht erst seit gestern, wie die vielen Morde und Attentate der vergangenen Jahre verdeutlichen. Doch die Solidarität der französischen Öffentlichkeit lässt nach, insbesondere die der Linken.

»Je suis juif«

Vor nicht mal zehn Jahren liefen Tausende Pariser mit dem Schild »Je suis juif« über den Platz der Republik, um sich mit den Opfern des Hypercashers zu solidarisieren, allen voran der damalige Präsident François Hollande, ein Sozialist. Heute wäre eine ähnliche Solidarisierung mit jüdischen Opfern unvorstellbar.

Dies zeigte sich wieder vergangene Woche, nachdem eine 12-jährigen Jüdin in der Nähe von Paris vergewaltigt wurde. Für viele Juden in Frankreich war das eines das schlimmste Ereignis seit dem 7. Oktober, wenn nicht noch schlimmer. Und dennoch fehlten auf den Kundgebungen fast alle linken Abgeordneten.

Es ist eine schmerzhafte Entwicklung, denn der Kampf gegen den Antisemitismus bildet eigentlich mit der Dreyfus-Affäre das historische Fundament der französischen Linken.

Dieselbe Bewegung bietet Juden heute keinen Schutzraum mehr, scheinbar um das Spiel der Rechten nicht mitzuspielen. Bezwecken tun sie aber vor allem eines: Sie vertreiben viele Juden aus ihrer politischen Heimat.

Meinung

Düsseldorfs braunes Erbe

Beim Gedenken muss die Stadt konsequent sein

von Oded Horowitz  12.01.2025

Meinung

Tiefpunkt für die Pressefreiheit

An der besetzten Alice Salomon Hochschule versuchte die Rektorin zusammen mit israelfeindlichen Aktivisten, die journalistische Berichterstattung zu verhindern

von Jörg Reichel  10.01.2025

Meinung

Hitler ein Linker? Der »Vogelschiss«-Moment der Alice Weidel

Mir ihren Aussagen zu Adolf Hitler im Gespräch mit Elon Musk hat die AfD-Chefin erneut ihre Inkompetenz bewiesen

von Michael Thaidigsmann  10.01.2025

Meinung

Wo Extremisten keine Gegenwehr fürchten müssen

In Berlin wurde die Alice Salomon Hochschule von Hamas-Sympathisanten besetzt. Erneut setzen weder die Studierendenschaft noch das Präsidium der Terrorverherrlichung etwas entgegen

von Noam Petri  08.01.2025

Meinung

Der Neofaschist Herbert Kickl ist eine Gefahr für Österreich

In der FPÖ jagt ein antisemitischer »Einzelfall« den anderen, ihr Obmann will die liberale Demokratie abschaffen und könnte schon bald Kanzler sein

von Bini Guttmann  08.01.2025

Sebastian Leber

Treitschke ist nicht »umstritten«

Die CDU in Berlin-Steglitz weigert sich, den eindeutigen Antisemitismus des Historikers anzuerkennen – und macht sich damit im Streit um einen Straßennamen unglaubwürdig

von Sebastian Leber  07.01.2025

Volker Beck

Christoph Heusgen: Ein außenpolitischer Bruchpilot

Die Kritik des Spitzendiplomaten an Israel ist niederträchtig – und seine eigene politische Bilanz verheerend

von Volker Beck  02.01.2025

Mascha Malburg

Wer jüdisches Leben wirklich schützt

Manche jüdische Einrichtungen setzen neben dem Polizeischutz auf eigenes Sicherheitspersonal – und das ist auch gut so

von Mascha Malburg  02.01.2025

Sabine Brandes

Frieden einfordern

Unsere Israel-Korrespondentin Sabine Brandes ist davon überzeugt, dass ein Naher Osten ohne Blutvergießen kein Traum bleiben muss

von Sabine Brandes  01.01.2025