Das geistliche Oberhaupt von anderthalb Milliarden Menschen betet im Vatikan eine Weihnachtskrippe mit dem Sohn Gottes als Symbol für Frieden, Gewaltfreiheit und Erlösung an. In diesem Jahr soll der zukünftige kleine Friedensfürst metaphorisch auf das Leid unschuldiger Kinder hinweisen. Mit topaktuellem Bezug.
Nein, kein Baby Kfir liegt da als Puppe mahnend im Stroh, dieses rothaarige Geschöpf aus dem Kibbuz Nir Oz, das, wenn es noch lebt, irgendwo in den Tunneln der Hamas dahinvegetiert. Das jüdische Kind in der Krippe ist stattdessen eingehüllt in eine Keffiyeh, jenes Palästinensertuch, das unter dem judenhassenden Hitlerfreund, dem Großmufti von Jerusalem, zur politischen Kampfkluft avancierte.
Diese Geschmacklosigkeit zum größten Fest der Christenheit zeigt dreierlei.
Erstens: die Geschichtsvergessenheit und Unkenntnis der Heiligen Schrift im Vatikan. Jesus war Jude, seine Mutter Maria war Jüdin ebenso wie sein Ziehvater Josef, denn Christen existierten vor 2024 Jahren ebenso wenig wie Palästinenser.
Die im Katholizismus höchst verehrte Heilige Mutter Gottes zu missbrauchen, um ihren Sohn in ein Sinnbild des politischen Kampfes einzuwickeln, das beweist, wie die Kirche ihre eigene Herkunft und Tradition verleugnet.
Zweitens: der Vatikan unterstützt das langjährige Bemühen extremistischer Gruppen, Jesus zum Palästinenser zu erklären. Damit ergreift der Papst Partei. Krippe und Keffiyeh haben eine Künstlervereinigung aus dem Westjordanland erstellt. Vertreter der PLO dankten dem Papst für dessen Solidarität und »seine unerschütterliche Unterstützung für die palästinensische Sache«. Einseitiges Mitgefühl für Judenfeinde: welch ein Armutszeugnis christlicher Nächstenliebe.
Drittens: wen wundert’s? 2000 Jahre Judenhass haben ihre Wurzeln in christlichen Gemeinschaften und Kirchen. Von den Gräueln der Kreuzzüge bis zur »Rattenlinie«, der Fluchthilfe katholischer Geistlicher für ranghohe Nazis, führt die Spur des institutionell abgesegneten klerikalen Antisemitismus.
Erstaunlich: nur wenige Medien berichten über diesen Jesus im Palästinensertuch. Als ich jedoch das Foto und die Nachricht aus der Jüdischen Allgemeine empört bei Facebook postete, hat das Social-Media-Unternehmen mich abgemahnt, mit der Warnung, meinen Account zu sperren. Ich ahnte schon lange, dass Facebook der palästinensischen Sache gegenüber freundlichst gesonnen ist, aber wie katholisch der Konzern handelt, das war mir neu.
Die Autorin ist Kulturjournalistin und lebt in Berlin.