Meinung

Die Sache mit dem Waffenstillstand

Israelischer Panzer in Gaza Foto: IMAGO/Xinhua

Man trifft sich wieder in Doha. Wieder geht es um einen Waffenstillstand im Gazastreifen und um die Freilassung der Geiseln.

Die Hamas hat angekündigt, die Verhandlungen boykottieren zu wollen. Sie weiß, es geht auch ohne sie.

Sie wird nicht gebraucht, um Israel dazu zu drängen, Konditionen zu akzeptieren, die langfristig nichts dazu beitragen werden, die Sicherheit und den Schutz des jüdischen Staates vor neuerlichen Angriffen der Terrororganisation zu erhöhen.

Washington wird Druck auf Israel ausüben – allein schon, weil ein »Deal« die Chancen von Kamala Harris, im November zur US-Präsidentin gewählt zu werden, erhöhen dürfte.

Der 7. Oktober war der Bruch eines Waffenstillstands

Dabei ist eigentlich klar: Waffenstillstände in Gaza sind nur dazu da, irgendwann von den Palästinensern wieder gebrochen zu werden - ohne Konsequenzen seitens der internationalen Gemeinschaft.

Der 7. Oktober 2023 war so ein Bruch eines Waffenstillstandes. Und es war bei weitem nicht der erste.

Seit Jahrzehnten ist das Grundproblem, dass der Westen die Palästinenser nicht wie Erwachsene, sondern wie Kinder behandelt, die keine Konsequenzen für ihr Handeln zu befürchten haben, und die wissen, dass egal was sie tun, es immer neues Geld geben und Israel schlussendlich als der Bösewicht dastehen wird.

Wenn man einmal nachrechnet, wie viel an Unterstützung und Aufbauhilfe in den letzten Jahrzehnten nach Gaza und in das Westjordanland geflossen sind, wird man schnell feststellen, dass man davon locker etwas von der Größe der Vereinigten Arabischen Emirate hätte aufbauen können. Man hätte eine funktionierende Wirtschaft schaffen und den Tourismus ankurbeln können. Und vieles mehr.

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Nur, und das ist auch den Palästinensern bewusst: Irgendwann hätte das Ausland dann den Geldhahn zugedreht. Und das ist nicht erwünscht.

Viele Gutmenschen aus dem linken Spektrum werden mir jetzt vorwerfen, ich sei ein rechter Neo-Kolonialist, dem die Sorgen und Nöte der Palästinenser und die der Geiseln in der Gewalt der Hamas egal seien. Dem ist nicht so. Die Freilassung der Geiseln ist überfällig.

Nur: Schon im Oktober letzten Jahres hatte die Hamas Gelegenheit dazu, in den Tagen, bevor die ersten israelischen Truppen in Gaza einmarschierten. Der Tod tausender Zivilisten hätte vermieden werden können, wäre das geschehen. Traurigerweise ist es im Interesse von Hamas, so viele zivile Opfer wie möglich zu verursachen. Hamas ist nämlich ein islamistisch-faschistoider Kult.

Keine Aggressionen mehr aus dem Gazastreifen

Ja, auch ich bin für einen Waffenstillstand. Auch ich bin für den Wiederaufbau des Gazastreifens. Nur muss das dieses Mal unter der Bedingung geschehen, dass künftige Aggressionen von dort gegen Israel auch entsprechende Konsequenzen haben werden, nämlich den sofortigen Stopp ausländischer Hilfsleistungen.

Findet diese Bedingung nicht Eingang in einen Deal, wird ein Waffenstillstand nur so lange halten, bis palästinensische Terroristen sich wieder so weit reorganisiert haben, dass sie Israel erneut angreifen können. Ein Waffenstillstandsabkommen darf dies nicht einfach stillschweigend in Kauf nehmen, so, als sei es ein Naturgesetz.

Ja, es braucht einen Marshall-Plan für die Palästinenser. Sie müssen wirtschaftlich endlich auf eigenen Beinen stehen. Und es braucht auch eine politische Lösung – ohne die Hamas und ihre Terrorkumpane. Was es nicht braucht, ist eine Rückkehr zum Status quo ante, zur Situation vor dem 7. Oktober 2023. Wenn der Waffenstillstand nur das bewirkt, wäre das ein Pyrrhussieg, mehr nicht.

Die internationale Gemeinschaft muss endlich dafür sorgen, dass die Grundlage für einen echten, nachhaltigen Frieden geschaffen wird. Der kriegsgeplagten Zivilbevölkerung in Gaza und in gleicher Weise den Menschen in Israel wäre damit mehr geholfen als mit kurzfristiger Augenwischerei.

Ernst-Wilhelm Gohl ist Landesbischof der evanglischen Landeskirche Württemberg

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