Daniel Neumann

Darmstadt: Diesmal ließ die Kirche Taten folgen

Daniel Neumann ist Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen. Foto: Gregor Matthias Zielke

Daniel Neumann

Darmstadt: Diesmal ließ die Kirche Taten folgen

Nach dem antisemitischen Eklat in der Michaelsgemeinde greift die Evangelische Landeskirche entschlossen durch. Das verdient Anerkennung

von Daniel Neumann  12.03.2025 15:41 Uhr

Im Dezember vergangenen Jahres sorgte der »Antikoloniale Weihnachtsmarkt« der Darmstädter Michaelsgemeinde für einen bundesweiten Skandal, als unter dem Banner des Friedens übler Antisemitismus Einzug hielt.

Mit tatkräftiger Unterstützung von »Darmstadt4Palestine« wurde die israelfeindliche Werbetrommel gerührt und der Terror der Hamas verharmlost: Schlüsselanhänger mit Hamas-Dreiecken, Palästina-Landkarten ohne Israel, »From the River to the Sea«-Parolen, Holocaust-Relativierung in Keksform und geschichtsverzerrende Plakate, die einen 76 Jahre währenden Genozid an den Palästinensern behaupten.

Die Konsequenz: Es hagelte Strafanzeigen, ein Vorstand trat zurück, der Pfarrer wusch seine Hände in Unschuld, und alle schoben sich gegenseitig die Schuld zu. Schon damals reagierte die Evangelische Landeskirche schnell und entschlossen. Sie suspendierte den Pfarrer und erstattete ebenfalls Strafanzeige gegen die eigene Gemeinde – ein historisch einmaliger Vorgang!

Die Landeskirche demonstrierte damit, wie man Antisemitismus und Israelhass glaubwürdig und konsequent bekämpft.

Doch das war nur das Präludium. Nach intensiver Befassung folgte nun der nächste Schritt: Das Dekanat greift durch, enthebt den Restvorstand seines Amtes, legt alle Gruppenaktivitäten auf Eis und überdenkt die Nutzung des Gemeindegebäudes grundlegend.

Zugegeben, der antisemitische Weihnachtsmarkt war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Denn schon zuvor war die Michaelsgemeinde durch organisatorisches Chaos, Zuständigkeitswirrwarr und politischen Aktivismus vom rechten Weg abgekommen. Aber das ändert nichts an der Anerkennung, die das evangelische Mutterschiff in diesem Fall verdient hat.

Denn diesmal erschöpfte sich das Bekenntnis zum Kampf gegen Antisemitismus nicht in wolkigen Formulierungen und wohlklingenden Worten. Ganz im Gegenteil. Diesmal ließ die Kirche Taten folgen. Beherzt, entschlossen und konsequent. Und demonstrierte damit, wie man Antisemitismus und Israelhass glaubwürdig und konsequent bekämpft. So soll es sein. Mehr davon!

Der Autor ist Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen.

Meinung

Koalitionsvertrag: Wenig drin für junge Jüdinnen und Juden

Der grassierende Antisemitismus an deutschen Hochschulen findet im Papier von Union und SPD kaum Beachtung. Eine verpasste Chance, kritisiert der Präsident der Jüdischen Studierendenunion

von Ron Dekel  10.04.2025

Ernst-Wilhelm Gohl ist Landesbischof der evanglischen Landeskirche Württemberg

Antisemitische Anfeindungen

»Langenau ist kein Einzelfall«

Der Landesbischof von Württemberg fordert den Schutz von Pfarrern, die von »propalästinensischen« Aktivisten bedrängt werden

von Ernst-Wilhelm Gohl  10.04.2025

Kommentar

Der Koalitionsvertrag ist eine große Enttäuschung

Bis auf wenige Passagen bleibt die Vereinbarung beim Kampf gegen Antisemitismus und zur Unterstützung für Israel ungenau

von Michael Thaidigsmann  10.04.2025

Ulrike Becker

Teherans Bombe: Die Zeit läuft davon

Die kommende Bundesregierung muss dringend handeln, um das iranische Atomprogramm zu stoppen. Bis Mitte Juli bietet sich dafür noch ein Zeitfenster

von Ulrike Becker  10.04.2025

Katharina Höftmann Ciobotaru

Tel Aviv und Berlin: Schwestern im Geiste

Die deutsche Hauptstadt und die israelische Mittelmeermetropole sind nun endlich Partnerstädte. Das war längst überfällig

von Katharina Höftmann Ciobotaru  10.04.2025

Meinung

Was der Gewalttat vorausging

Unsere Autorin hat den ersten Prozesstag gegen den Angreifer von Lahav Shapira im Gericht verfolgt. Sie ist überzeugt, dass Judenhass bei der Tat eine entscheidende Rolle spielte

von Mascha Malburg  09.04.2025

Meinung

Fehl am Platz

Omri Boehm hätte gar nicht erst als Redner zum Jahrestag der Befreiung des KZ Buchenwald eingeladen werden dürfen. Was hat den Gedenkstättenleiter bloß dazu motiviert?

von Susanne Stephan  07.04.2025

Protest

Mehr Mut zum Streit!

Nirgendwo wird so leidenschaftlich um den Kurs der Regierung und um die Demokratie gerungen wie in Israel. Von dieser Haltung kann die Diaspora viel lernen. Ein Kommentar von Esther Schapira

von Esther Schapira  06.04.2025

Kommentar

Hamas plante schon 2021 den »Tag danach«

Die Hamas und ihr Traum von der Einstaatenlösung ist lange vor dem 7. Oktober entstanden. Der Westen schwieg und Netanjahu schwieg, ein Fehler mit unerträglichen Konsequenzen

von Nicole Dreyfus  04.04.2025