Die Weimarer Republik ist daran zugrunde gegangen, dass von den vielen, vielen politischen Kräften, die damals in ihrem Parlament saßen, viele eigentlich keine Lust hatten. Sie setzten sich wenig dafür ein, dass das dauerhaft so weitergehen würde mit dem Diskutieren und dem Abstimmen und dem Schutz der Unterlegenen. »Demokratie ohne Demokraten«, so hat man diese erste deutsche Republik deshalb genannt. Das ist lange her. Aber man sollte daraus lernen.
Eine »Demokratie ohne Demokraten« gibt es heute nicht mehr. Heute ist die Frage, wie man das wohl am besten nennen sollte: eine Demokratie, deren Demokraten sehenden Auges die Abrissunternehmer ins Haus lassen?
RASSISMUS In Sachsen will einer der übelsten Hetzer vom rechtsextremen Flügel der AfD, der gerade aus dem Bundestag geflogen ist, zurückkehren in sein vormaliges Amt als Richter. Der Jurist Jens Maier, der als Abgeordneter mit offenem Rassismus kokettierte, so wie er schon in den Jahren zuvor die »Herstellung von Mischvölkern« anprangerte, will wieder in die Justiz. Dort stehen ihm die Türen tatsächlich offen.
Es sind Türen zur Macht. Es ist die Macht, über Recht und Unrecht zu entscheiden, »im Namen des Volkes«. Diese Rückkehr hat ihm die Justizministerin des Landes, eine Grüne, nicht verweigert. Sie meint: Sie könne nicht anders.
Die grüne Landesministerin zieht sich auf eine Einschätzung ihrer ministeriellen Bedenkenträger zurück.
Das ist, juristisch betrachtet, falsch. Das haben inzwischen eine ganze Reihe von Verfassungsrechtlern öffentlich dargelegt. Sie haben aufgezeigt, welche Möglichkeiten das Ministerium durchaus hätte, um den AfD-Hetzer von einem Richterstuhl fernzuhalten. So ganz zahnlos ist das Disziplinarrecht nicht, man müsste es nur mal versuchen.
STIMMUNG Die grüne Landesministerin dagegen zieht sich auf eine Einschätzung ihrer ministeriellen Bedenkenträger zurück, die offenbar mehr Sorge vor schlechter Stimmung in der Richterschaft haben als vor der Vorstellung, eine Bürgerin oder ein Bürger könne einem AfD-Richter Maier gegenübersitzen – und ihm ausgeliefert sein.
Das ist, demokratisch betrachtet, verantwortungslos. Der Bremer Verfassungsrechtler Andreas Fischer-Lescano hat es richtig gesagt: Hier droht ein Dammbruch. Die zweite deutsche Demokratie ist in Sachsen erst gut 30 Jahre alt. Sie braucht Verteidiger.
Der Autor ist Jurist und Redakteur der »Süddeutschen Zeitung«.