Die Universitäten sind ihre Bühne. Immer wieder wird Francesca Albanese, seit Mai 2022 UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete, dorthin eingeladen, um ihre Sicht der Dinge zu erläutern. Eigentlich keine schlechte Idee – schließlich gehört die Vermittlung von Wissen aus erster Hand sowie der Austausch auch von kontroversen Meinungen zur DNA einer jeden akademischen Institution.
So sollte Albanese am 16. Februar in der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) über »Kolonialismus, Menschenrechte und Internationales Recht« sprechen. Eingeladen hatte sie die Decolonial Practices Group, ein Netzwerk von knapp zwei Dutzend Doktoranden und Studierenden, also kein Institut der Hochschule. Doch die LMU untersagte ihren Auftritt mit der Begründung, dass es sich nicht um eine »wissenschaftliche Konferenz« handele.
Die Veranstalter sehen darin ein »besorgniserregendes Muster in Deutschland, wo Diskussionen über Palästina und Menschenrechte zensiert werden« und sprechen von einer »direkten Bedrohungen für die freie Meinungsäußerung«. Über die Behauptung, dass man Zensur ausübe, ließe sich nun trefflich streiten.
Worüber sich nicht streiten lässt, ist das besorgniserregende Muster in den Äußerungen von Albanese. So teilte die promovierte Juristin 2014 auf Facebook der Welt mit, dass die Vereinigten Staaten »von der jüdischen Lobby unterjocht« seien, ebenso wie Europa von einem »Schuldgefühl wegen des Holocaust«. Beide würden in dem Konflikt – damals hatte die Hamas Israel mit Raketen beschossen, woraufhin Israel mit einer Militäroperation reagierte - »die Unterdrückten - die Palästinenser - verurteilen«.
Nun kann man durchaus das israelische Vorgehen kritisieren. Aber mit solchen Topoi, die zum Teil nach dem ganz kleinen Einmaleins des Antisemitismus klingen und sich ebenso in rechtsextremen Milieus großer Popularität erfreuen, hat man sich eigentlich für ein akademisches Umfeld disqualifiziert. Da kann man sich ja gleich Beatrix von Storch oder Björn Höcke einladen.
Und es war auch kein einmaliger Ausrutscher. Im Juli 2024 feierte die UN-Sonderberichterstatterin auch schon mal Posts auf der Social-Media-Plattform X ab, die Parallelen zwischen Hitler und Israels Premier Benjamin Netanjahu ziehen. »Das ist genau das, was ich heute gedacht habe«, schrieb Albanese darunter. Wer so »gedacht« hat, ist schlichtweg ungeeignet, an einer Hochschule zu sprechen.
Oder anders formuliert: Wer darauf besteht, eine Francesca Albanese an Bord zu holen, muss sich ebenfalls die Frage gefallen lassen, was genau unter »Decolonial Practices«, also »Dekolonialisierungspraktiken«, zu verstehen ist. Wahrscheinlich auch Massaker wie die vom 7. Oktober 2023. Denn dazu hatte Albanese ebenfalls eine dezidierte Meinung. So sagte sie, selbstverständlich im akademischen Rahmen, und zwar an der amerikanischen Elite-Uni Harvard, folgendes: »Mit diesem Angriff sollten die Besatzung und die Apartheid durchbrochen werden.«
Akademische Standards durchbrechen will man nun wohl auch an der Freien Universität Berlin. Denn unter dem enigmatischen Titel »Conditions of Life Calculated to Destroy – Legal and Forensic Perspectives on the Ongoing Gaza Genocide« (zu deutsch: Lebensbedingungen, die für die Vernichtung ausgelegt sind) wird Albanese am 19. Februar auch dort sprechen. Beworben wird das Ganze auch von den Palästina-Solidaritätsgruppen, die vor Ort jüdischen Studierenden das Leben schwermachen. Aber das ist ja keine »direkte Bedrohung für die Meinungsfreiheit«.
Der Autor ist Journalist und Historiker und lebt in Berlin.