Am vergangenem Freitag gab es bestürzende Nachrichten aus Tel Aviv: Ein 16-jähriger schwuler Araber wurde am helllichten Tag von seinen beiden Brüdern mit einem Messer attackiert. Er überlebte schwerverletzt. Einen Monat zuvor war er aus seinem Dorf geflohen, um Schutz in einem Hostel der LSBTIQ-Community zu suchen. Dort lernte er andere arabische Jugendliche kennen, die ähnliche Verfolgung erlebt hatten.
HINRICHTUNGEN In Israel werden sie vom Staat geschützt, in Gaza sind sie schlimmsten Grausamkeiten seitens ihrer Familien und des Hamas-Regimes ausgesetzt. Verhaftungen, Folter und Hinrichtungen sind leider erschreckender Alltag.
Nahezu zeitgleich fand in Berlin die traditionelle Parade zum Christopher Street Day statt. Dort organisierte eine Gruppe »Queers for Palestine« einen »Soli-Block« – gegen, wie es unter #BDSYes hieß, »jede Form staatlicher Gewalt«. Damit war weder die Verfolgung von LSBTIQ im Iran gemeint noch das queerfeindliche Hamas-Regime. Es ging ausschließlich gegen Israel, offensichtlich der einzige problematische Nationalstaat.
Jüngst wurde ein schwuler Araber von seinen Brüdern angegriffen. Er hatte in Tel Aviv Schutz gesucht.
Es ist besonders tragisch, dass Vertreter der Queer-Community wieder einmal in die Falle der »Palästina-Solidarität« tappen. Beim Eurovision Song Contest im Mai in Tel Aviv hatte die queere Band Hatari aus Island neben einer Regenbogen- auch eine Palästinaflagge in die Kamera gehalten. Dass sie in ihren Lack-und-Leder-Outfits wohl kaum palästinensische Sympathien auf ihrer Seite haben dürfte, schien ihr nicht aufzufallen.
LIEBE Die »Palästina-Solidarität« in Teilen der queeren Community ist, wenn man so will, eine zurückgewiesene Liebe, eine ziemlich einseitige Angelegenheit. Während die Palästinafahne in radikalen queer-feministischen Gruppen hochgehalten wird, sieht man im palästinensischen Territorium die Regenbogenfahne praktisch nie. Und wenn, dann gilt sie als Beweis für die westliche Dekadenz, die mit Gewalt bekämpft werden muss.
Warum merken queere Aktivisten diesen Widerspruch nicht? Ist es der blanke Hass gegen den Staat Israel – oder einfach Naivität?
Der Autor ist Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt/Main.