Meinung

Cem Özdemir, Diskursganoven und worüber eben doch gesprochen werden sollte

In einem Artikel für die »Frankfurter Allgemeine« beschrieb Cem Özdemir, was ihn als Vater einer Tochter bewegt, die bald erwachsen wird. Er nennt rassistische Erfahrungen, aber auch die Belästigungen der Tochter und ihrer Freundinnen, die von Männern mit Migrationshintergrund ausgehen.

In den sozialen Medien ging ein Shitstorm über Özdemir nieder, der allerdings nicht auf dessen differenziertem Artikel beruhte, sondern lediglich auf einer Überschrift in »Bild« über einem Foto Özdemirs, die die Worte »Migrations-Problem« und »Tochter« enthielt.

Seit den sexuellen Übergriffen auf der Kölner Domplatte Silvester 2015 ist die Erwähnung der Sicherheit von Frauen im Zusammenhang mit Einwanderung einer der wirksamsten politischen Druckpunkte für ein bestimmtes Milieu, wobei das Erregungspotential maßgeblich gesteigert wird, wenn eine Boulevardzeitung das Thema aufgreift.

Am häufigsten betroffen

Dieses reflexhaft agierende Milieu wägt sich auf der besseren Seite der Geschichte, nämlich der, die Rassismus bekämpft. Wie schon nach den Vorfällen in Köln übersehen die Social Media-Krieger jedoch diejenigen, die von der sexualisierten Gewalt am häufigsten betroffen sind: Musliminnen.

Es sind muslimische Frauen, die die ersten Opfer von geschlechtsspezifischer Diskriminierung werden, von Drohungen bis hin zu Gewalt, von Tätern, die dem gleichen Milieu entstammen.

Wer die Diskussion über Täter mit Migrationshintergrund im Namen des Antirassismus verhindern will, verwehrt diesen Frauen Hilfe und verhindert zugleich die Differenzierung zwischen wenigen Tätern und Migranten und vor allem Migrantinnen allgemein. Paradoxerweise nimmt die Warnung vor dem Generalverdacht diejenigen in Gruppenhaft, die am häufigsten Opfer der Täter werden.

Antidemokratische Zwillinge

Für diese Aktivisten prägte der Geschlechterforscher Vojin Saša Vukadinović den passenden Begriff »Diskursganoven«. Zum Schutz ihres Weltbildes geben sie die Opfer den Tätern preis und überziehen alle, die die Gefahr für Frauen ansprechen, mit Polemik, die der von Rechtspopulisten in nichts nachsteht.

Özdemir schließt seinen Artikel mit der Warnung, der Vertrauensverlust in das demokratische Gemeinwesen müsse aufgehalten werden. Doch Ganoven prosperieren am besten in einem geschwächten Rechtsstaat, weshalb sie stets die antidemokratischen Zwillinge Antisemitismus und Frauenverachtung mit vorgeschobenem Antirassismus schützen.

Die Autorin ist Chairwoman des Vereins »Frauen für Freiheit«.

Aufgegabelt

Mazze-Sandwich-Eis

Rezepte und Leckeres

 18.04.2025

Pro & Contra

Ist ein Handyverbot der richtige Weg?

Tel Aviv verbannt Smartphones aus den Grundschulen. Eine gute Entscheidung? Zwei Meinungen zur Debatte

von Sabine Brandes, Sima Purits  18.04.2025

Literatur

Schon 100 Jahre aktuell: Tucholskys »Zentrale«

Dass jemand einen Text schreibt, der 100 Jahre später noch genauso relevant ist wie zu seiner Entstehungszeit, kommt nicht allzu oft vor

von Christoph Driessen  18.04.2025

Kulturkolumne

Als Maulwurf gegen die Rechthaberitis

Von meinen Pessach-Oster-Vorsätzen

von Maria Ossowski  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Ausstellung

Das pralle prosaische Leben

Wie Moishe Shagal aus Ljosna bei Witebsk zur Weltmarke Marc Chagall wurde. In Düsseldorf ist das grandiose Frühwerk des Jahrhundertkünstlers zu sehen

von Eugen El  17.04.2025

Sachsenhausen

Gedenken an NS-Zeit: Nachfahren als »Brücke zur Vergangenheit«

Zum Gedenken an die Befreiung des Lagers Sachsenhausen werden noch sechs Überlebende erwartet. Was das für die Erinnerungsarbeit der Zukunft bedeutet

 17.04.2025

Bericht zur Pressefreiheit

Jüdischer Journalisten-Verband kritisiert Reporter ohne Grenzen

Die Reporter ohne Grenzen hatten einen verengten Meinungskorridor bei der Nahost-Berichterstattung in Deutschland beklagt. Daran gibt es nun scharfe Kritik

 17.04.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  16.04.2025